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Intruder 2

Intruder 2

Titel: Intruder 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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viele Kilometer weit entfernt wieder anzufangen.
    Natürlich hatten sie alle gewusst, was sie erwartete. Sie hatten die letzten beiden Wochen vor Antritt der Reise mit praktisch nichts anderem verbracht, als Bücher zu wälzen, in Prospekten zu blättern und sich Videos über den geplanten Trip anzusehen, wobei der Grand Canyon natürlich einen besonderen Schwer-punkt gebildet hatte. Nicht nur Mike wusste mittlerweile so ziemlich alles über dieses Naturwunder, was es darüber zu wissen gab.
    Aber das änderte nichts daran, dass ihnen der Anblick die Sprache verschlug. Mike vergaß für einen Moment alles andere
    - die Schmerzen in seinem Knie, Frank und Stefan, die - was für ein Zufall, haha - dicht genug bei ihm standen, um im Notfall rasch zugreifen zu können, wenn er stürzen sollte. Ja, er vergaß selbst die schrecklichen Ereignisse der vergangenen Nacht. Der Anblick war im wahrsten Sinne des Wortes unbe-schreiblich. Es war Mikes Beruf, mit Worten umzugehen, und er war gut darin, aber es war ihm in diesem Moment nicht einmal möglich, seine Empfindungen auch nur in Gedanken zu formulieren.
    Klein. Vielleicht war das das einzige Wort, das der Wahrheit nahe kam. Er fühlte sich klein, winzig und so unwichtig wie niemals zuvor. Er stand am Rande einer Schlucht, die drei Kilometer tief und an der weitesten Stelle dreißig Kilometer breit war - und halb so lang wie das Land in Europa, aus dem sie zu diesem Trip aufgebrochen waren. Das waren die ihm bekannten abstrakten Zahlen, wie sie in jedem Reiseprospekt nachzulesen waren. Er hatte geglaubt, mit diesen Zahlen im Hinterkopf dem Anblick dieser zu Stein erstarrten Naturgewalt gewachsen zu sein, aber das stimmte nicht: Jeder Versuch, ihre gewaltigen Ausmaße wirklich zu erfassen, schien an seiner eigenen Bedeutungslosigkeit angesichts ihrer Monstrosität zu zerbröseln.
    »Wow!«, machte Stefan neben ihm.
    »Genau das wollte ich auch gerade sagen«, murmelte Frank.
    »Unglaublich. Allein dafür hat es sich schon gelohnt, hierher zu kommen!«
    Sie gingen weiter. Frank war der Einzige, der sich weit genug von dem Anblick lösen konnte, um wenigstens nach rechts und links zu sehen, als sie die Straße überquerten, aber diese Vorsicht erwies sich als unnötig. Der einzige Wagen, der die Stra-
    ße im Moment befuhr, war eine Art elektrisch betriebener Traktor, der an ihnen vorbeisummte und vier offene Anhänger mit hölzernen Sitzbänken hinter sich herzog.
    Mikes Herz schlug langsam und sehr schwer, als er die Hände auf die Bruchsteinmauer legte und sich langsam vorbeugte. Er zelebrierte diese Bewegung regelrecht, denn er wusste, dass dies einer der ganz seltenen, kostbaren Momente war, die sich so nie wiederholen lassen würden; und sei es nur, weil es einen Ort wie diesen kein zweites Mal auf der Welt gab.
    Unter ihnen stürzte der Boden in mehreren Terrassen bis in dunstverhangene Tiefen ab. Die vorherrschenden Farben der wild zerfurchten Felswände waren Rot und alle nur vorstellbaren Gelb- und Brauntöne, aber er sah auch Sprenkel von Weiß und Gold und überraschend viele und großflächige Grünschat-tierungen. Obwohl es nicht sehr warm war, flimmerte die Luft unter ihnen vor Hitze, sodass er den Fluss unten am Grund der Zyklopenschlucht nicht wirklich erkennen konnte.
    »Da geht ein Weg runter«, sagte Stefan. Seine ausgestreckte Hand deutete auf eine bleistiftdünne gewundene Linie, die sich unter ihnen in die Tiefe schlängelte. Ameisengroße Gestalten krochen darauf entlang.
    »Er führt nur bis zur ersten Terrasse«, sagte Frank. »Schlappe sechzehnhundert Meter. Nach unten, nicht in der Länge. Es gibt eine Lodge da unten.«
    »Das wäre doch was, oder?«, schlug Stefan vor.
    »Kein Problem«, sagte Frank. »Vier Stunden hin und schät-zungsweise fünf oder sechs zurück. Bei fünfunddreißig Grad im Schatten. Falls du welchen findest, heißt das.« Er schüttelte den Kopf. »Ohne mich. Wusstest du, dass sie jedes Jahr hier ungefähr vierzig Tote haben? Sie fallen nicht runter oder so was, sondern kriegen einen Hitzschlag, weil sie sich überschätzen.«
    »Spielverderber«, maulte Stefan.
    Mike hörte kaum hin. Er war noch immer zutiefst erschüttert; auf eine Art, die er sich bis zu diesem Moment nicht einmal hatte vorstellen können. Die ganze Größe und Gewaltigkeit der Schöpfung kam ihm zu Bewusstsein, während er dastand und in die ungeheuerliche Leere starrte, die unter ihnen klaffte.
    »Und jetzt die Bilder!«, sagte Frank. »Hast du es

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