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Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Elliott
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zwischen dieser und der vorherigen Welt? Warum hatten manche Häuser Satellitenschüsseln auf den Dächern, während andere aus dem Mittelalter zu stammen schienen, schlichte Hütten aus Holz mit qualmenden Kaminen?
    Rechts und links der Straße, die er jetzt entlangging, sah es zum Beispiel aus wie in einem Londoner Armenviertel des 19. Jahrhunderts, beengt, marode und verwahrlost. Fuhrwerke rumpelten über das Kopfsteinpflaster, es roch nach Heu und Pferdemist. Immer wieder stolperte er in Schlaglöcher. Keine Autos, keine Lastwagen. Die Häuser waren unbeleuchtet. Eine unheimliche Stille rings umher.
    Der Bilderrahmen, dem er entstiegen war, und all die Andeutungen, die Mister Gorr gemacht hatte, kreisten in seinen Gedanken. Wer war die Frau namens Muse, die ihn gemalt hatte? Warum hatte sein Erscheinen Mister Gorr zunächst erschreckt? Selbst in dieser Welt war seine »Geburt« also unerwartet. Abnormal. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Sekunden nach seinem Erwachen.
    Einen Moment lang konnte er sie festhalten, eine schwache Erinnerung wie der Nachhall eines Traums, das Echo eines Echos: Ein Ort der Farben, das Gefühl von Pinselstrichen, die wie eine warme Zunge über seinen Körper lecken, eine leise Frauenstimme. Unvermittelt Helligkeit. ›Augen offen?‹, murmelt sie. Etwas streicht ihm über die Augen, sanft und schmerzlos. Ihre Hand schließt seine Lider. Er schläft wieder, wartet …
    Die Skizze seines Großvaters stieß mit jedem Schritt gegen seinen Oberschenkel. Nicht weit entfernt plätscherte Wasser. Er schwenkte ab und ging auf das Geräusch zu. Das Leuchten der Nachtgestirne reichte aus, um die Einmündungen von Seitengassen zu erhellen (obwohl Wolken heraufzogen und einige der Sternhaufen verdeckten). Ein schwacher Wind raschelte in den Baumkronen.
    Die Erkenntnis traf ihn wie eine Keule: Diesen Ort gab es wirklich. Allein das genügte, um ihn erschauern zu lassen. Dies hier konnte keine völlige Illusion sein! Der Boden gab unter jedem Schritt seiner nackten Sohlen nach; das Knacken von Zweigen; das Wispern von flach getretenem Gras; der kalte Kuss von Tau. Sein Atem bildete weiße Dampfwölkchen. Er lachte, schwindlig vor Glück. Sämtliche Sinne schienen zu rufen: Du lebst! Warum oder wie – spielte das eine Rolle? Nicht für das Blut, das warm durch seinen Körper pulsierte.
    Der unbefestigte Weg mündete in eine ebene, gepflasterte Straße, eine Wohltat für seine von spitzen Zweigen und Steinen wunden Füße. Die Spuren der Besiedlung blieben zurück. Bald lag das Dorf hinter ihm, und ein breiter Fluss neben der Straße wälzte sich unruhig in seinem Bett.
    Er hielt an, um nachzudenken, legte sich auf die glatten Steine, in denen noch die Hitze des Tages gefangen war, und wärmte sich Rücken und Beine. Wieder fuhr er mit den Fingerspitzen über die Handgelenke. Das Sternenmelodram nahm unterdessen seinen Lauf: Eine der Königinnen hatte ihre Gegnerin enthauptet und die Krone der Besiegten auf ihre Schwertspitze gespießt. Sie sind real, dachte er, aber keine Sternbilder. Keine lodernden Gasansammlungen in unendlicher Ferne. Sie sind etwas anderes. Vielleicht nur so weit weg wie der Himmel. Du könntest da hinaufklettern und sie berühren, sie in die Tiefe ziehen.
    Während er so dalag und das Sternenmelodram beobachtete, flammte eine grüne Leuchtkugel am Himmel auf. Sie wurde größer, als senkte sie sich langsam herab – tatsächlich, sie senkte sich herab und hinterließ eine grüne Lichtspur vor der Kulisse der Sterne.
    Aden setzte sich auf und starrte angestrengt in die Ferne. Die Leuchterscheinung hatte Ähnlichkeit mit einer Wolke, aber er konnte Schatten erkennen, die sich in ihrem Innern bewegten, wenngleich die Schatten von hier aus verschwommen und ineinandergeschoben wirkten. Die grüne Lichtspur, die bis zu den Sternen zu reichen schien, verblasste rasch.
    Er schätzte, dass die grüne Wolke etwa eine halbe Meile von ihm entfernt niedergegangen war. Aden erhob sich, fest entschlossen, die Stelle aufzusuchen, als er eine Stimme vernahm, die sich durch die Stille wand. Sie kam aus dem Dunkel der Straße hinter ihm, zusammen mit leise schlurfenden Schritten.
    Aden hätte sich kaum die Mühe gemacht, in Deckung zu gehen, aber dann fiel ihm Chuckys Warnung ein. Er kauerte hinter einem breiten Baumstamm am Straßenrand nieder und wartete, während die Schritte immer näher kamen.
    Bald zeigte sich ein Umriss, eine hochgewachsene, hagere Gestalt, die entweder

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