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Invasion der Barbaren: Die Entstehung Europas im ersten Jahrtausend nach Christus (German Edition)

Invasion der Barbaren: Die Entstehung Europas im ersten Jahrtausend nach Christus (German Edition)

Titel: Invasion der Barbaren: Die Entstehung Europas im ersten Jahrtausend nach Christus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heather
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kennen, bevor sie die dabei erworbenen Kenntnisse nutzten, um sich dort anzusiedeln, wenn es die politischen Umstände erlaubten. Die skandinavische Expansion Richtung Westen in der Wikingerzeit nutzte Erkenntnisse, die sich durch den Austausch zwischen den Handelsstützpunkten, den Emporien, im 8. Jahrhundert angesammelt hatten, während die Skandinavier, die in den Osten aufbrachen, eine ganze Generation lang die Flussläufe Westrusslands auskundschafteten, ehe sie den Weg zu den großen islamischen Absatzmärkten fanden. All dies ist bekannt, doch ich möchte ein paar weitere Beispiele für Migration nennen. Ein Hauptgrund für das Stop-and-go-Muster der Migration einiger Gruppen, die um 400 n. Chr. auf römisches Territorium vordrangen, war das Bedürfnis, vor dem Weiterziehen genügend Informationen über mögliche Zielorte zu sammeln. Die Goten und unter ihnen insbesondere die Terwingen, die 376 ins Römische Reich kamen, kannten sich auf dem Balkan gut aus, wussten aber wenig über Italien und Gallien, wohin sie sich in der nächsten Generation auf den Weg machten. Es sollte 20 Jahre dauern, bevor sie bereit waren, den nächsten Schritt zu wagen. Ähnlich die Vandalen und Alanen, deren Ziel zunächst die Iberische Halbinsel war, die aber 20 Jahre und einige Erkundungs- und Plünderungszüge später den Fuß über die Straße von Gibraltar nach Nordafrika setzten. Die Dynamik eines Migrationsstroms hing also stark vom vorhandenen Wissen ab, insbesondere davon, ob erfolgreiche Vorstöße von Pioniergruppen in neue Regionen andere zur Nachahmung ermutigten. Dafür gibt es auch Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit: Die Buren, die vom Kap nordwärts ziehen wollten, warben Kundschafter an, die herausfinden sollten, ob die Migration einer großen Gruppe überhaupt erfolgversprechend war. Solche Informationen verbreiteten sich oft aber auch auf informelleren Kanälen.
    Untersuchungen zur modernen Migration beschäftigen sich ausgiebig mit der Schlüsselfrage, warum manche Menschen einer bestimmten Gemeinschaft sich überhaupt zur Migration entschließen, während andere unter vergleichbaren Lebensumständen bleiben, wo sie sind. Es ist nicht einfach, darauf für das 1. Jahrtausend eine Antwort zu finden. In allen gut dokumentierten Fällen der Migration großer Gruppen führte die Entscheidung zum Wegzug zur Spaltung in der einen oder anderen Form. Das gilt besonders für länger anhaltende Migrationsströme. Viele Germanen polnischen Ursprungs gelangten im 3. Jahrhundert ans Schwarze Meer, doch viele andere blieben zurück, wie sich am Fortbestand der Wielbark- und Przeworsk-Kultur zeigt. Auch wanderten im 5. und 6. Jahrhundert nicht alle Angeln und Sachsen nach England aus, und Skandinavien entvölkerte sich während der Wikingerzeit nicht. Angesichts der Tragweite des Entschlusses zur Migration, der den Menschen im 1. Jahrtausend nicht leichter gefallen sein dürfte als heute, ist es kaum verwunderlich, dass sie zu unterschiedlichen Entscheidungen kamen.
    Welche Belastung die Migration darstellt, zeigt sich heute auch am Phänomen der Rückwanderung. Bei allen Migrationsströmen der jüngeren Vergangenheit kehrte eine große Zahl der Einwanderer später in ihre Heimatländer zurück. Unsere Informationen über das 1. Jahrtausend reichen nicht aus, um diesen Punkt zu vertiefen, aber einige Aspekte der Wikingerzeit legen es nahe, auch dieses Phänomen in Betracht zu ziehen. In der Anfangsphase der skandinavischen Expansion ging es allein darum, den eigenen Wohlstand zu mehren, sei es durch Plünderungen oder durch Handelsaktivitäten. Diese Reichtümer konnten auf verschiedene Weise genutzt werden. Einige entschieden sich schon früh dafür, an ihren Zielorten im Osten und Westen zu bleiben (das belegen die frühen Ansiedlungen im Norden Schottlands und auf den Britischen Inseln), andere kehrten in die Heimat zurück, wo das viele Geld und Gold die politische Welt des Ostseeraums schwer erschütterte. Daher kann ich mir (und damit bin ich nicht allein) gut vorstellen, dass auch einige Angelsachsen auf den Kontinent zurückkehrten.
    Eine ausgeprägte Migrationsneigung beeinflusst aber auch die Grundmuster der Wanderung – ein Thema, das heute sehr viel genauer erforscht ist. Welche Individuen einer Gruppe sich für den Aufbruch entscheiden, wird maßgeblich davon bestimmt, ob bereits eine Tradition der Mobilität vorhanden ist oder nicht. Wer schon einmal den Wohnort gewechselt hat, ist eher geneigt, dies zu

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