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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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Nachmittagsserie Lawyers. Die Schauspielerin hieß Harriet Fox. Kate hatte sie noch als Hattie Fox gekannt, eine Freundin, Feindin, Mitschülerin an der berühmten Schule Lady Jane Grey, an der sie beide so etwas wie Außenseiterinnen gewesen waren. Seit zwanzig Jahren hatte Kate sie nicht mehr gesehen.
     
    »Hattie!«
    Kates Stimme hallte laut von den gefliesten Wänden und Decken des Tunnels wider, der zwischen den beiden Bahnsteigen der U-Bahn-Station Camden verlief. Hattie wollte anscheinend zur Edgware-Linie, denn sie drängte sich durch die Menschenmenge, die nach links Richtung Rolltreppe eilte. Kate folgte ihr. Kurz bevor die Türen zugingen, war sie aus dem Zug gesprungen, angetrieben von dem seltsamen Drang, Hattie zu helfen. Falls sie denn Hilfe brauchte. Vielleicht war Hattie auch einfach bloß betrunken: besoffen und von Wahnvorstellungen getrieben. Wäre ja nicht das erste Mal. Doch etwas an Hatties ängstlichem Blick hatte Kate zu dem spontanen Entschluss gebracht, aus dem Zug zu steigen, um ihrer alten Freundin zu helfen. Im Grunde schämte sie sich, weil sie zuvor versucht hatte, sie zu ignorieren.
    In der Menge konnte Kate nur Hatties blonden Schopf ausmachen, der schwankend den Bahnsteig entlangwippte. Falls Hattie Kates Ruf gehört hatte, veranlasste sie das lediglich, noch schneller zu laufen. Sie bewegte sich sogar erstaunlich schnell. Möglicherweise rannte sie trotz der lächerlich hohen Absätze. Kate bahnte sich ihren Weg durch das Gedränge, so rasch sie konnte. Dabei klang ihr noch Hatties ängstliches Heulen in den Ohren. Wieder rief sie ihren Namen, diesmal lauter. »Hattie, warte! Ich bin's, Kate! Bleib stehen!«
    Hattie wandte den Kopf ein wenig, genug, dass Kate ihr vertrautes Profil sehen konnte: mager und begierig wie das eines hungrigen Vogelkükens. In ihren Augen war Angst, ja Panik. Hattie bewegte sich noch hastiger, und Kate sah, wie sie gegen die Metallschranke krachte, die sich vor dem Bahnsteig Richtung Edgware befand und die Leute davon abhalten sollte, gefährlich schnell auf den Bahnsteig zu stürmen und über die Kante auf die Gleise zu stürzen.
    Kate beobachtete, wie Hattie nach rechts bog und den Bahnsteig entlanglief, und verlor sie für einen Moment aus den Augen. Dann war sie selbst auf dem Bahnsteig angekommen, konnte die Freundin aber nicht gleich entdecken. Kate keuchte und war bei aller Sorge wütend auf sich, weil sie sich auf dieses aussichtslose Unterfangen eingelassen hatte, doch sie würde trotzdem nicht aufgeben. Sie würde es sich nie verzeihen, wenn Hattie etwas zustieß.
    Hektisch suchte Kate die Menge ab. Am anderen Ende des Bahnsteigs stand eine ganze Traube von Menschen dicht an der Kante, routinierte Pendler, die genau wussten, wo die Türen aufgehen würden, wo sie am ehesten eine Chance auf einen Sitzplatz hatten oder wo wenigstens nicht so ein Gedränge herrschte wie in den vorderen Wagen. Und mitten zwischen Männern in Anzügen und Frauen in Wintermänteln und Schals entdeckte Kate Hatties blonden Haarschopf. Sie rief ihren Namen und winkte. »Hattie! Ich bin's, Kate. Kathryn. Kathryn Small von der Lady Jane.«
    Diesmal blieb Hattie stehen und erstarrte. »Wir haben etwas Furchtbares getan.« Hatties dürre Finger bohrten sich in Kates Schultern. Ihr Atem stank nach Gin, und sie beugte das hagere Gesicht zu Kate, als sie die Worte flüsternd wiederholte, wobei ihr Atem Kates Ohr kitzelte. »Wir haben etwas Furchtbares getan.«
    »Was meinst du?«, fragte Kate. »Wer? Was? Was hast du gemacht?«
    Die Inbrunst, mit der Hattie sprach, gefiel Kate nicht. Doch ihre Frage ging im Rauschen des einfahrenden Zuges unter. Kate drehte sich um. »Edgware« leuchtete oberhalb des Fahrerfensters. Rings um sie herum setzte Geschubse ein wie immer auf belebten Bahnsteigen. Die Leute drängelten zu den Stellen, an denen die Türen aufgehen würden. Kate überlegte, was sie tun solle. Wie konnte sie Hattie aus dem Gedränge zur Rolltreppe lotsen, und wo würde sie um diese Zeit in Camden ein halbwegs ruhiges Café finden? Sie wollte erfahren, was los war, was Hattie solche Angst einjagte. Oder vielleicht sollte sie Hattie einfach nur in ein Taxi setzen und nach Hause schicken.
    All diese Gedanken wirbelten Kate durch den Kopf, und sie bereute bereits, dass sie sich eingemischt hatte. Zugleich fragte sie sich, was Hattie mit ihren Worten gemeint hatte. Müde und schlecht gelaunt erinnerte Kate sich daran, wie oft sie sich früher in die Eskapaden der

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