Irgendwann Holt Es Dich Ein

versuchte, etwas zu sagen, schien aber nicht die richtigen Worte zu finden. »Ich fühle mich einfach nur so schrecklich schuldig«, murmelte sie schließlich.
    »Jeder macht sich irgendwann schuldig«, sagte Neil. »Du hattest eine beschissene Zeit an der Schule, und dann hast du deinen Frust an anderen ausgelassen. Das ist nur verständlich.«
    »Ja, aber bloß weil es verständlich ist, wird es deshalb nicht gleich richtig. Oben auf dem Dach hat Susan etwas Interessantes gesagt. Sie meinte, dass wir uns ähnlicher seien, als sie gedacht habe. Und daran muss ich immerzu denken. Mich trifft Schuld, weil ich mit der ganzen Geschichte zu tun hatte.«
    »Kate, sei nicht albern! Susan hat Serena umgebracht. Sie hat sie erwürgt, und sie hat versucht, dich umzubringen. Sie ist eine Mörderin, eiskalt und böse. Egal wie gemein du dich vielleicht verhalten hast, du hast nie jemanden getötet. Niemals. Jeder trifft seine Entscheidungen im Leben selbst. Heather hatte entschieden, sich euch anderen anzuschließen, obwohl ihr sie schrecklich behandelt habt. Hattie entschied, sich vor die U-Bahn zu stürzen, und Susan entschied zu töten. Du hast nichts weiter getan, als ein bisschen fies zu einigen wenigen Leuten zu sein. Und dann hat dich dein Gewissen eingeholt, und du hast die Selbstgerechte gegeben.«
    »Du hast recht. Ich bin eine selbstgerechte Kuh.« Kate fühlte sich tatsächlich besser, und sie genoss es, wenn sie so unverblümt miteinander redeten. Solche Momente der gnadenlosen Offenheit hatten früher einen festen Bestandteil ihrer Beziehung gebildet. Vielleicht gelang es ihnen ja doch, endlich wieder zusammenzufinden. »Trotzdem möchte ich etwas tun. Ich möchte etwas gegen dieses entsetzliche Mobbing unternehmen. Es kann doch nicht immer so weitergehen, dass Teenager, die von anderen gequält werden, sich selbst zu Tyrannen entwickeln. Mich würde nicht mal wundern, wenn Susan in ihrer frühen Kindheit von anderen gemobbt wurde, in der Vorschule vielleicht. Das muss aufhören. Ich möchte etwas dagegen tun.«
    »Okay. Und was?«, fragte Neil grinsend.
    »Keine Ahnung. Mich irgendeiner Organisation anschließen, Beratungsgespräche führen, Lehrerin werden, Pflegemutter für einen schwierigen Teenager ... ein Buch schreiben. Irgendwas.«
    »Willkommen zurück im Leben, Kate Callan«, sagte Neil, hob ihre rechte Hand an seine Lippen und küsste sie.