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Irgendwann ist Schluss

Irgendwann ist Schluss

Titel: Irgendwann ist Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
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die Mauer zu klettern, ich gab vom Fenster einen Warnschuss ab. Nachts kommen sie öfter. Mal werden sie von den Hunden vertrieben, mal verraten die Bewegungsmelder ihren Einbruchsversuch.
    Nach dem Essen fange ich an zu leben. Ich lasse ein Bad ein. Stundenlang könnte ich baden. Die Badewanne ist so groß, dass ich zweimal in ihr Platz fände. Sie ist zugleich ein Whirlpool. Wenn ich den Stöpsel aus der Wanne ziehe, damit das Wasser abfließen kann, ziehe ich auch den Stöpsel aus meinem Körper, um meinen Trieb abfließen zu lassen. Die nächsten Stunden verbringe ich mit Musikhören oder Telefonieren. Ich bezahle Marc Antonius dafür, mit mir zu telefonieren. Ich weiß, wie wichtig es ist, das Sprechen nicht zu verlernen. Ich rede über alles, was ich am Tag erlebt, das heißt, angesehen habe, über Interviews, über Musikstücke, über Filme oder Theateraufführungen, auch über belanglose Dinge wie Politik und Wetter, manchmal rede ich über mein Leben, allerdings nur über unbedeutende Kleinigkeiten, also auf keinen Fall über irgendwas Wichtiges: weder über die Situation, in der ich mich befinde, noch über das Verbrechen meines Vaters. Nach dem Telefonieren ist es elf, ich ziehe den Schlafanzug an, lege mich ins Bett, lese noch zwei Stunden, höchstens, blättere in den Magazinen und Zeitungen, die Marc Antonius mir mitgebracht hat, so lange, bis Müdigkeit sich wie Balsam auf die Lider legt, ich schlafe ein, grelles Licht über mir, mein Kopf dicht an der Wand zum Überwachungsraum, sodass ich, sollte ich ein Geräusch hören, sofort hineinflüchten kann.
    Dienstags bringt mir Marc Antonius die Ration für eine Woche: Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Brot. Ich schalte wie üblich gegen zehn Uhr, wenn ich seinen Wagen vor dem Tor sehe, die Bewegungsmelder aus und betätige den Toröffner. Die Jeepräder knirschen in der Einfahrt, Marc steigt aus, die Bluthunde laufen zu ihm, ich sitze im Überwachungsraum und beobachte auf dem Monitor, wie er den Hunden Fleisch hinwirft. Die Hunde fetzen sich darum, bis Marc pfeift, dann winseln sie und lassen sich streicheln. Marc holt den Karton vom Jeep, nähert sich dem Eingang, schaut in die Kamera, gibt das Codewort ein, nimmt seinen Schlüssel, die monströse Stahltür schwingt auf, mein Lebensmittelchauffeur schlüpft rein, und die Tür schließt sich. Er steht im winzigen Vorraum. Ich lasse Marc einen Schluck Dunkelheit trinken. Dann schalte ich von oben das Licht an. Mein Bluthundhalter setzt den riesigen Karton ab, dicht an die Stahltür, die in die Halle führt, dann beugt er sich zum anderen Karton, den ich selbst dort hingestellt habe, vor Stunden, meine Wochenabfälle haben schon zu gammeln begonnen. Obenauf liegt die Einkaufsliste, Marc steckt sie ein, wirft einen Blick auf das neue Codewort, das ich an die Wand gepinnt habe, nickt, reckt den Daumen, die Außentür schnappt auf, und Marc geht hinaus. Ich stehe auf, durchquere meine Zimmer, öffne die erste Treppenhaustür, gehe nach unten, öffne die zweite Treppenhaustür, laufe durch die gleißende Halle, drücke den Knopf an der Wand zum Vorraum, die Tür springt auf, ich ziehe den neuen Karton herein und schließe die Tür. Ich trage den Karton nach oben, kümmere mich sofort um die Lebensmittel. Die Hälfte muss eingefroren werden, der Fisch zum Beispiel, Teile vom Fleisch, die Garnelen. Langsam gehe ich auf den Kühlschrank zu. Es ist immer noch der alte: zwei Meter groß, zwanzig Zentimeter größer als ich, aus Edelstahl. Manchmal habe ich Glück und entgehe dem Geräusch des Aggregats, manchmal habe ich Pech, dann springt der Kühlschrank leise brummend an, während ich noch mit dem Einräumen beschäftigt bin. Schon oft habe ich die Hersteller verflucht, dass es ihnen in zig Jahren Kühlforschung nicht gelungen ist, einen Kühl- und Eisschrank zu entwickeln, der lautlos kühlt. In der Küche bin ich ungern. Das Verstauen der Lebensmittel ist lästig. Ebenso das Kochen, Aufräumen, Saubermachen. Aber ich kann keine Putzfrau ins Haus lassen, nein, das wollen wir nicht.
    Wie viel Zeit ist vergangen? Ich habe keine Ahnung. Der Alarm reißt mich aus dem Schlaf, ich bin sofort hellwach. Alles ist verinnerlicht. Ich weiß genau, was zu tun ist, das Ganze dauert höchstens fünf Sekunden: Ich rolle mich ab, schnelle hoch zur Sicherheitstür, schlüpfe in den Überwachungsraum, schließe die Tür, ziehe den Sportanzug an, der bereitliegt, und renne zu meinen Monitoren. Als Erstes sehe ich die Hunde. Sie

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