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Irgendwas geht immer (German Edition)

Irgendwas geht immer (German Edition)

Titel: Irgendwas geht immer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn French
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Die Kinder benutzen den Computer. Ich hingegen hasse ihn. Ich hasse die Zeit, die er uns als Familie raubt. Erst jetzt fällt mir auf, wie verstaubt er ist – der Monitor, die Tastatur. Und auf dem Bildschirm leuchtet eine Art Regenbogen. Wie ist so etwas möglich? Es muss am Licht liegen, das durchs Fenster hereinfällt und sich darauf bricht. Die Vorhänge sind geöffnet, doch das Licht ist nicht besonders hell. Es ist bewölkt draußen. Keine direkte Sonne. Hm. Vielleicht besteht der Bildschirm ja aus Quecksilber oder so was. Aus irgendeinem Stoff, der mit Licht reagiert. Ich liebe diese Vorhänge. Wir hatten sie schon in unserem alten Haus. Dort hingen sie in der Küche. Na ja, in Wahrheit sehen sie eher küchen- als arbeitszimmermäßig aus. Große rote Rosenblüten auf blauem Grund. Ziemlich retro. Und feminin. Für das Arbeitszimmer einer Frau. Stimmt, ich habe dieses Zimmer von Anfang an mit Beschlag belegt, das kann ich nicht abstreiten. Oh, da drüben hängt der kleine Engel, den Dora in der Coombes-Vorschule gebastelt hat. Jedes Jahr haben sie welche gebastelt, die dann an den Weihnachtsbaum gehängt werden sollten. Sie sollte ihren Namen draufschreiben, aber in diesem Jahr hatte sie mit krakeliger Kinderschrift »Mami« draufgepinselt. Das hätte sie sich nicht nehmen lassen, hatte mir die Lehrerin damals erklärt. Außer ihr hätte das kein einziges Kind gemacht. Sie kann damals höchstens … keine Ahnung … sechs gewesen sein. Die Geste erfüllte mich mit einer derart übertriebenen Rührung, dass ich ungeniert in Tränen ausbrach. Dora hatte Angst, ich sei ihr böse. Aber das war ich nicht. Stattdessen konnte ich mich nur über mich selbst wundern, weil ich so zutiefst gerührt war. Ihr kleines Herz und mein großes Herz. Direkt miteinander verbunden. Und jetzt? Nichts. Keine Verbindung. Tot. Meine alten Bücher sind völlig verstaubt, so dass ich die Titel kaum mehr erkennen kann. Psychologie-Theorie, Fallstudien, Autobiographien der Großen und Guten dieser Welt, die ich jedes Jahr zu Weihnachten bekomme und nie lese, weil mir die Zeit dazu fehlt. Und dort stehen die neuen Bücher von Annie Proulx, Andrea Levy, Lionel Shriver und Marian Keyes. Mein Blick fällt auf einen Band mit Zitaten berühmter Leute und dicke Atlanten, aber was um alles in der Welt ist denn das da drüben? Ein Buch? In Alufolie eingewickelt? Oh Gott, es ist eine noch eingeschweißte Ausgabe von Madonnas grauenhaftem Sex-Buch. Ich habe es kein einziges Mal in die Hand genommen. Mein reizender Ehemann meinte, wir sollen es eingepackt lassen, es könnte eines Tages viel Geld wert sein. Eigentlich wollte ich ja einen Blick auf ihren nackten Körper werfen. Aber nein. Dort drüben hängt die hübsche Tuschezeichnung im Stil von Aubrey Beardsley, die Peter gemalt hat, als er neun war. Sie ist außerordentlich gut. Ein unübersehbar talentiertes Kind, unser Peter. Mein Schreibtischstuhl. Sehr solide. Mein reizender Ehemann hat ihn bei eBay entdeckt und ihn wegen meiner Rückenprobleme erstanden. Ein roter Futon. Gütiger Himmel. Den haben wir ja seit … keine Ahnung, genau genommen noch nie benutzt. Aber Poo liebt ihn. Wie ihre Haare beweisen, die hier überall kleben. Er stinkt fürchterlich. Aber im Moment benutzt sie ihn nicht, sondern schläft in Oscars Sockenschublade, bis … Oh Gott, bald kommen ja die Welpen zur Welt. Wie soll das nur gutgehen? Dieses ewige Chaos …
    Hör auf damit, Mo!
    Los.
    Denk nach.
    Was ist passiert?
    Wie ist es dazu gekommen?
    Lass alles noch mal im Geiste Revue passieren.
    Genau. Ich aß mein Frühstück. Alles wie immer. Dann fuhr ich zur Arbeit. Auf dem gewohnten Weg. Links, dann rechts, noch mal nach links, dann die Zweite nach rechts. Dieselben alten Läden, dieselbe alte Schule, das Kricketfeld, das Kriegerdenkmal. Wagen geparkt, in die Praxis gegangen, Lisa begrüßt. Lisa zeigte mir, dass sie neuerdings einen Waffengürtel trägt. Dort, wo sie sonst ihr Handy befestigt, hängt jetzt eine Pistole. Bisher alles normal, absolut normal.
    Noel betrat mein Büro, und wir besprachen die Fälle, die er an diesem Tag hatte. Am Ende erklärte er mir, sein eigener Therapeut sei in Ruhestand gegangen und ob es möglich sei, dass er seine Supervisionstherapie bei mir fortsetzen würde. Nun, ich weiß, dass es eine gute Übung für alle Therapeuten ist, wenn sie sich selbst in Behandlung begeben, vor allem die weniger erfahrenen, und wir ermutigen unsere jungen Kollegen auch dazu. Es rührte mich,

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