Irgendwas geht immer (German Edition)
sie meinen Körper malträtiert, als lächerlichen Versuch, das Grauen in erträglichen Grenzen zu halten.
Von Zeit zu Zeit verlangt sie von mir, mich zu »entspannen«. Ja, ich weiß, dass ich mich entspannen sollte und dass dies die Behandlung erheblich vereinfachen würde, aber wie, bitte schön, soll ich mich entspannen, wenn diese Frau bis zu den Ellbogen in meinem Körper steckt – genau dieselbe Frau, der ich ab und zu in der Süßigkeitenabteilung im Supermarkt begegne, wo wir dann banale Höflichkeiten austauschen, um die Tatsache zu kaschieren, dass sie Teile meines Körpers kennt, die ich noch nicht einmal selbst zu Gesicht bekommen habe. Ich glaube stets, die Spuren blanken Entsetzens unter der Fassade der Freundlichkeit zu erkennen, mit der sie mir bei Sainsbury’s über den Weg läuft, als müsse sie bei meinem Anblick automatisch an die südlichen Gefilde meines Körpers denken. Sehe ich da unten herum schlimmer aus als andere? Geht ihr »Oh, das ist doch diese nette Frau mit der hübschen, gesunden, sauberen Vagina« durch den Kopf? Oder denkt sie eher so etwas wie: »Lieber Gott, da kommt diese alte Schabracke mit der Monstermöse – das ist doch die, deren Fotos ich an ein Fachmagazin geschickt habe, als Beispiel für eine grauenhafte Entartung. Aber vielleicht sollte ich die Fotos ja auch bei der nächsten Ärzteparty herumreichen, um das Eis zu brechen«, oder etwas in dieser Art?
Ja, Frau Doktor, ich würde mich liebend gern entspannen, aber das kann ich nicht, denn ich muss in Habachtstellung bleiben, für den Fall, dass Sie gegen den gynäkologischen Eid verstoßen und einen Schritt zu weit gehen. Es könnte sein, dass Sie meine kostbarsten Körperteile durchstoßen oder mich kneifen oder mich mit etwas aufspießen, während Sie da unten herumstochern. Sollte es dazu kommen, muss ich jederzeit bereit sein, mich wie eine Sprungfeder von diesem Stuhl zu katapultieren und Sie dank der gewaltigen Kräfte meiner Scheidenmuskulatur rückwärtszuschleudern, so dass Sie geradewegs in das hübsche Poster mit den Geschlechtskrankheiten hinter Ihnen krachen. Und genau aus diesem Grund werde ich einen Teufel tun und mich entspannen, Schätzchen … Okay?
Ehrlich gesagt war es heute gar nicht so schlimm, und sogar die Brustquetschmaschine war halbwegs erträglich. Frau Doktors Fuß stand auf dem Pedal. In ihrer Hand liegt die Entscheidung, welcher Flachheitsgrad heute für meine Brust vorgesehen ist – diesmal entschied sie sich für »flach wie ein Pfannkuchen«, wohingegen die Parole in der Vergangenheit stets »flach wie ein Crêpe« hieß.
Doch im Vergleich zu der Zeit, die man auf die Testergebnisse wartet, ist der Horror dieser Untersuchungen der reinste Kindergeburtstag. Ich finde erst dann meinen Seelenfrieden wieder, wenn der Brief durch den Briefschlitz auf der Fußmatte landet und sich herausstellt, dass alle Ergebnisse negativ sind. Ich erinnere mich noch an das eine Mal, als dort »leichte Zellveränderung« stand und ich bis zur Kontrolluntersuchung völlig außer mir vor Verzweiflung war, wo sich dann herausstellte, dass alles wieder normal war. Seit diesem Tag bin ich wesentlich nervöser, das muss ich zugeben.
Beim Nachhausekommen klebte ich eine Haftnotiz an Doras Zimmertür, auf der ich sie darüber informierte, dass sie einen Termin bei der Frauenärztin hätte. Ich werde definitiv nachts besser schlafen, wenn ich weiß, dass sie ausreichend geschützt ist.
Auf dem Heimweg vom Arzt hatte ich spontan bei Pamela vorbeigesehen. Einfach so, ohne einen bestimmten Grund. Sie öffnete die Tür, sichtlich freudig überrascht, und ich folgte ihr in das vollgestopfte Wohnzimmer. Wie üblich sah sie sich gerade eine Folge ihrer Lieblingsseifenoper an, schaltete den Fernseher jedoch ab und setzte Teewasser auf.
»Wieso hast du nicht angerufen und mir gesagt, dass du vorbeikommst, Mo? So konnte ich ja gar keinen Rote-Bete-Schokokuchen für dich backen, Dummerchen.« Sie hatte völlig recht. Der Rote-Bete-Schokokuchen ist mein absoluter Lieblingskuchen. Sie macht ihn seit Jahren für mich. Köstlich!
Also begnügten wir uns mit trockenen Keksen und Tee. Ich erzählte ihr von meinem Tag, und sie zeigte sich gewohnt mitfühlend. Diese Momente mit Mum, wenn sie mich ausnahmsweise mal nicht zur Schnecke macht, sind so wunderbar und bereichernd, dass ich mich nur fragen kann, wieso ich sie nicht häufiger besuchen komme. Auch wenn wir uns in noch so vielen Punkten uneinig sind, hat sie
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