Irgendwie Top
anders war als sonst. Ein einfacher, netter Bruderkuss. Aber waren ihre Küsse das nicht immer gewesen? Nur hatte er sie anders empfunden. Für Tim hatte sich nichts verändert.
Markus sah plötzlich andere Lippen vor sich. Sinnlich, feucht und ein Gesicht mit einem spöttischen Lächeln, Augen, die ihn verschlangen.
Vielleicht hätte er Alex fragen sollen, ob er ihn küssen durfte? Nur um einen Vergleich zu haben. Ja, klar. Ganz bestimmt hätte der über mich gelacht. Alex war kein Typ fürs Küssen. Der nicht. Und ich ja auch nicht. Trotzdem ...
„Kann ich mit zu dir kommen?“, fragte Tim unvermittelt nach, als sie auf den verwaisten Parkplatz des Gaytronic fuhren. „Zuhause schlafen noch alle.“
„Klar.“ Er durfte Tim nicht zeigen, was er wirklich fühlte. „Du solltest vor allem duschen, du stinkst“, fügte er hinzu und zwang sich zu einem Grinsen.
„Das ist der Duft von heißem Sex“, feixte Tim. Markus zog eine Grimasse, die Tim zum Glück nicht mehr sah. Als er mit dem Fahrrad zurückkam, hatte sich Markus längst wieder im Griff und half ihm, das Rad in den Geländewagen zu bugsieren.
Schweigen breitete sich aus, als sie losfuhren, und hielt minutenlang an.
„Wolltest du nach deinem ersten Mal auch immer mehr haben?“, fragte Tim unvermittelt. Markus’ Blick blieb stur auf die Straße gerichtet, aber Tim erwartete wohl gar keine Antwort. „Ich sehe dauernd sein lustvolles Gesicht vor mir und es ist geil, dass er wegen mir so aussah. Die Augen halb geschlossen, der Mund verzerrt und dann dieses tiefe Stöhnen.“
Seufzend schwelgte er in Erinnerungen. „Ich kann ihn jetzt noch genau vor mir sehen, sein Gesicht, seine Haare, den tollen Körper. Wenn ich die Augen zumache, dann kann ich ihn sogar noch riechen.“
Tim kicherte und lehnte sich zufrieden in seinem Sitz zurück. „Oh Mann, Markus, ich hatte endlich auch mal echten Sex!“
Markus’ Gedanken waren nicht druckreif, doch ihm kam kein verdächtiger Laut über die Lippen. Er würde Tim diesen glücklichen Moment und die Illusion nicht gleich zerstören.
„Du hast dich also schon in ihn verschossen“, stellte er nüchtern fest. Komisch. Ich müsste doch Eifersucht spüren. Aber irgendwie … nicht s . Kurz war Markus versucht, Tim probeweise an sich zu ziehen und wirklich zu küssen. Und höchstwahrscheinlich würde der ihm eine runterhauen.
„Nein!“, antwortete Tim, zu hastig, um überzeugend zu sein. Er richtete sich auf. „Er ist klasse und so, aber er hat mir auch gleich gesagt, dass er prinzipiell nur einmal mit jemandem schläft.“ Aus dem Augenwinkel registrierte Markus, wie er sich auf die Lippen biss.
„Dieser blöde Kerl hält sich aber ganz offensichtlich nicht an seine eigenen Regeln.“ Markus schnaubte verächtlich. Was ist das für ein Weichei? Entweder oder. Hat er womöglich in Tim ein allzu williges Opfer gefunden? Vielleicht fährt der ja gerade auf so unerfahrenes Frischfleisch ab? Markus knirschte noch einmal verstohlen mit den Zähnen, aber zu seinem Glück schluckte der Motorenlärm das Geräusch.
„Er heißt Mark.“ Tim seufzte mit verklärtem Gesicht. „Fast wie du. Lustig, oder?“ Er kicherte.
Markus fand das weitaus weniger lustig und schluckte eine scharfe Antwort herunter. Endlich hielt er vor dem Mietshaus, in dem er wohnte, und half Tim, das Rad auszuladen und in den Eingang zu schieben. Schweigend gingen sie nach oben. Markus schloss auf und ließ seinem Bruder den Vortritt.
„Ich bin eben schnell unter der Dusche“, verkündete Tim und verschwand auch schon im Badezimmer. Markus blickte ihm nach. Er war versucht, ihm ins Badezimmer zu folgen, um seinen schlanken Körper ganz unverfänglich zu betrachten. Aber der Gedanke verflog. Stattdessen erinnerte er sich an die letzte Nacht und an … Alex’ Traumkörper. Markus seufzte tief auf. Kein Vergleich.
Abermals seufzend setzte er Teewasser auf und machte Frühstück. Trotz der durchwachten Nacht war er nicht müde, fühlte sich allerdings ausgepowert und innerlich leer. Seine ganze Welt hatte sich verändert. Angefangen von dieser verrückten Nacht mit Alex, dessen merkwürdige Wirkung er sich noch immer nicht erklären konnte, hin zu Tim, der mit einem unbekannten Typen mehrmals geschlafen hatte.
Mit feuchten, verstrubbelten Haaren und roten Wangen kam Tim aus dem Badezimmer und nahm zufrieden lächelnd Platz. „Wie war denn deine Nacht?“
Markus schenkte ihm Tee ein. Plötzlich hatte er den Duft von Old Spice in der
Weitere Kostenlose Bücher