Irgendwie Top
perfekter Körper, sein spöttisches Lachen. Was würdest du tun?
Markus nahm das Handy hoch, starrte minutenlang darauf. In seinem Innern tobten Gefühle, die er kaum beherrschen konnte. Der Alkohol dämpfte nicht eins davon. Alles war durcheinander, verwirrt, verrückt. Tim war nicht mehr sein unschuldiger kleiner, beschützenswerter Bruder. Und schon gar nicht derjenige, den er in sein Bett holen wollte. Und auch keinen Gilbert.
Das war jemand anderes.
Grübelnd starrte Markus auf das Display. Er sollte Alex anrufen. Jetzt. Sofort.
Sollte ihm einfach sagen … Keine Ahnung … irgendetwas.
Mit zitternden Fingern rief er Alex’ Nummer auf. Er wusste, dass seine eigene Nummer unterdrückt wurde. Alex würde nicht wissen, wer ihn anrief. Er würde einfach „Hallo“ sagen, irgendwas Belangloses. Ihm würde schon was einfallen. Sonst war er ja auch nie um Worte verlegen.
Das Freizeichen ertönte, und Markus’ Hände wurden prompt feucht, sein ganzer Körper heiß und kalt zugleich und sein dummes Herz beschleunigte sich abrupt.
„Rotkamp.“ Alex’ wundervolle, leicht rauchig klingende Stimme. Mann, der Typ kann mit seiner Stimme bei jeder Telefonsexagentur arbeiten. Deren Umsätze würden jeden Rekord sprengen. Markus spürte die Wirkung unmittelbar in seinen Lenden. Dreimal schluckte er schwer und mit einem Mal war sein Hals zu eng, brachte gar keinen Ton hervor. Gebannt lauschte er Alex’ Atem. Er sollte, er musste was sagen, irgendwas, aber er konnte es nicht. Es ging einfach nicht.
„Hallo?“, fragte Alex so typisch spöttisch, dass Markus’ Wangen anfingen zu brennen, und er zu glühen schien. „Bist du nur zu schüchtern, was zu sagen oder hast du dich verwählt?“
Markus öffnete den Mund. „Hallo, hier ist … Markus“, wollte er sagen, doch es war, als ob er das Sprechen verlernt hätte. Die Worte waren in seinem Kopf, jeder Wunsch, jede geheime Sehnsucht, sie waren da. Nur kamen sie ihm nicht über die Lippen.
„Also wohl eher zu schüchtern“, stellte Alex offenbar schmunzelnd fest. Markus fing an zu schwitzen. Er hatte Alex’ ganz genau vor Augen. Diese wundervollen Augen, den unglaublich sinnlichen Mund. Er wollte ihn so gerne küssen, er wollte sein Gesicht zwischen den Händen halten und ihn nur ansehen ...
„Tja, es war sehr nett mit dir zu plaudern, nur leider muss ich jetzt leider los.“ Alex klang noch immer belustigt. „Vielleicht rufst du mich mal wieder an? Ich lausche gerne deinem leisen Atem. Klingt irgendwie sehr erotisch.“ Damit legte er auf. Markus rührte sich nicht, selbst als das Freizeichen in seinem Ohr dröhnte.
Feigling, raunte jeder Ton ihm zu. Du bist so ein erbärmlicher Feigling!
Wütend auf sich selbst, ballte Markus die Faust, hätte am liebsten das Handy durch den Raum geschleudert. Fuck! So eine verdammte Scheiße!
Verflucht, was tue ich eigentlich gerade? Bekomme ich echt gerade einen Koller, weil ich mit Alex nicht vernünftig reden kann? Weil da diese ungewollten, gefährlichen, neuen und verwirrenden Gefühle sind? Das ist dumm, so kindisch!
Verärgert hieb er auf den Tisch. Heiß rauschten der Alkohol und die hilflose Wut durch seine Adern. Was würdest du tun, Markus?
Das passiert doch alles nur, weil dieser dämliche Macker Tim abgeschossen hat. Dieser Arsch, der nicht zu würdigen weiß, was er an Tim hat! Mark, dieser Kerl ist doch eh an allem Schuld.
Wenn der Tim nicht auf der Party aufgerissen hätte, dann wäre dieser nie mit ihm im Bett gelandet, dann wäre alles noch so wie früher: unkompliziert, einfach. Dann würde er nicht hier sitzen und … Markus’ Augen brannten. Verdammt, ich konnte nicht einmal mit ihm reden. Alles nur die Schuld von diesem verfickten Scheißer!
Tims Gesicht kam ihm ins Gedächtnis. Dieser verletzte, hoffnungslose Ausdruck darin. „Ich bin eben auch nur irgend so ein Fick für ihn“, hatte er gesagt. „Hast du dich jemals gefragt, wie sie sich dabei fühlen?“
Scheiße, nein! Und dieser Mark hat das auch nicht.
Dafür würde er ihn zur Rechenschaft ziehen. Er würde ihn zur Rede stellen. Dieser Arsch sollte wissen, was er Tim angetan hatte!
Markus rief das Adressbuch seines Handys auf, ging es durch, bis er den Eintrag fand. Hasserfüllt presste er die Lippen zusammen. Mark Jasper Benedikt, da war seine Adresse. Rasch zog er sich an, schnappte sich seine Autoschlüssel und war schon auf dem Weg nach unten.
Diesmal würde er sich diesen Mistkerl schnappen.
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