Irgendwo ganz anders
Glück gehabt mit der befristeten Sperre. Wenn die Polizei eingeschaltet worden wäre, hätte es wesentlich schlimmer ausgehen können.«
»Was hat er denn schon getan?«, sagte Landen. »Er hat die Mütze von Barney Plotz in eine Pfütze geworfen und dann ein bisschen drauf rumgetrampelt.«
»Ja«, sagte ich, »das Problem war nur, dass Barney Plotz die Mütze dabei auf dem Kopf gehabt hat.« Im Stillen dachte ich, dass es eine gute Idee wäre, die gesamte Familie Plotz in eine schlammige Pfütze zu schubsen, aber laut sagte ich: »Friday hätte das wirklich nicht machen dürfen. Gewalt ist nun mal keine Lösung.«
Landen hob die linke Augenbraue und sah mich skeptisch an.
»Na schön«, sagte ich. » Manchmal kann man Dinge schon mit Gewalt lösen. Aber für ihn ist das nicht das Richtige. Jedenfalls noch nicht.«
»Ich frage mich gerade«, setzte Landen das Gespräch fort, »ob man nicht die Jugend des Landes dazu bewegen könnte, in einer großen Alkoholorgie den Blödheitsüberschuss zu verbrauchen.«
»Wir haben einen Überschuss an Dummheit«, sagte ich. »Jugendlicher Weltschmerz hilft uns dabei nicht weiter.« Ich nahm einen der Umschläge und studierte die Briefmarke. Ich erhielt immer noch jeden Tag ein halbes Dutzend Fanbriefe, obwohl sich meine Bekanntheit im Lauf der Jahre auf die Stufe »Z–4« reduziert hatte, wie das Amt für Prominentenbewertung festgestellt hatte. Wer sich in dieser Kategorie befindet, wird nur noch in Was macht eigentlich ...? -Artikeln erwähnt, es sei denn er wird gerade verhaftet oder geschieden oder befindet sich im Entzug.
Die Fanpost kam von eingefleischten Fans, denen es völlig egal war, dass ich nur noch Z–4 war. Meistens fragten sie sehr spezielle Dinge über meine verschiedenen Abenteuer, die inzwischen im Druck vorlagen. Manche teilten mir auch mit, dass der Film ziemlich schlecht war, oder fragten, warum ich nicht Krocket-Profi geblieben bin. Die Mehrzahl waren aber Fans von Jane Eyre, die wissen wollten, ob ich Bertha Rochester wirklich erschießen musste und ob ich tatsächlich mit Edward Rochester geschlafen hätte; denn das waren die beiden hartnäckigsten Gerüchte, die nach der Veröffentlichung meines zweifelhaften ersten Romans Der Fall Jane Eyre aufgetaucht waren.
»O je«, sagte Landen. »Schon wieder eine Ablehnung von meinem Verleger. Tödliche Fallschirmunfälle und wie man sie nicht wiederholt, finden sie, ist kein guter Ratgeber-Titel.«
»Wahrscheinlich haben sie keine Toten in ihrer Zielgruppe.«
»Könnte sein«, sagte er.
Ich machte einen weiteren Brief auf.
»He«, sagte ich und studierte den Inhalt genauer. »Die Gesellschaft der Dodo-Liebhaber bietet uns dreißigtausend für Pickers.«
Ich warf Pickwick einen begehrlichen Blick zu. Sie war gerade dabei, im Stehen einzuschlafen, und würde jeden Augenblick umfallen. Ich hatte sie selbst gebaut, als Do-it-yourself-Klonen die große Mode war. Mit ihren neunundzwanzig Jahren und der Seriennummer D–009 war sie der älteste lebende Dodo. Sie war eine frühe 1.2-Version und hatte keine Flügel, weil der genetische Baukasten damals noch nicht ganz komplett war. Dafür hatte sie aber auch keine eingebaute Zellalterung. Es war durchaus denkbar, dass sie ewig leben würde. Oder jedenfalls länger als ... nun ja, alles andere. Jedenfalls war ihr Wert in den letzten Jahren erheblich gestiegen, weil das Interesse an der Rückzüchtungsrevolution der siebziger Jahre plötzlich sehr groß war. Ein V1.5.6-Mammut aus dem Jahre 1978 hatte kürzlich für sechzigtausend den Besitzer gewechselt; Riesenalke waren immer fünftausend wert, egal in welchem Zustand sie waren; und wenn man einen Trilobiten von vor 1972 hatte, konnte man verlangen, was man wollte.
»Dreißigtausend?«, sagte Landen. »Wissen die, dass Pickwick hirn- und federmäßig behindert ist?«
»Ich glaube, das ist denen völlig egal. Die Hypothek könnten wir damit abzahlen.«
Pickwick war plötzlich hellwach und sah uns mit einem Blick an, als hätte sie an einer rohen Zwiebel gerochen.
»... und einen von diesen Bio-Diesel-Hybrid-Wagen kaufen.«
»Oder mal richtig Urlaub machen.«
»Wir könnten Friday ins Heim für weltschmerzige Teenager schicken«, schlug Landen vor.
»Und Jenny ein neues Klavier kaufen.«
Das war zu viel: Pickwick fiel mitten auf dem Tisch in Ohnmacht.
»Viel Humor hat sie nicht, was?« Landen lächelte und kehrte zu seiner Zeitung zurück.
»Nee«, sagte ich und riss den Brief der Dodo-Freunde in
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