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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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ob das Geld noch da war, und wollte gerade die Plane wieder über den Porsche ziehen, als mich ein Geräusch veranlasste, mich umzudrehen.
    Im Halbdunkel an der Werkbank stand mein Onkel Mycroft. Er war unbestreitbar ein großes Genie und hatte die Grenzen des Wissens in zahlreichen Fachrichtungen erheblich erweitert, so zum Beispiel in der Genetik, Physik und Romankunst. Er hatte unter anderem das Do-it-yourself-Klonen und möglicherweise ein ErinnerungsLöschGerät, vor allem aber das ProsaPortal erfunden, das mich ins Innere literarischer Werke katapultiert hatte.
    Wie immer trug er seinen dreiteiligen Anzug aus Wolle, allerdings ohne die Jacke. Er hatte die Hemdsärmel aufgekrempelt und war ganz offenbar in Erfinderlaune. Er konzentrierte sich auf einen Apparat, dessen Funktion ich allerdings nicht zu erraten vermochte. Während ich ihn mit wachsendem Staunen beobachtete, hob er plötzlich den Kopf.
    »Ah!«, sagte er lächelnd. »Thursday! Hab dich schon lange nicht mehr gesehen. Alles in Ordnung?«
    »Ja«, sagte ich unsicher. »Glaube schon.«
    »Prächtig! Ich hatte gerade eine Idee für eine neue, preiswerte Form der Energieerzeugung: Wenn wir Pasta und Anti-Pasta zusammenführen, könnte das zur völligen Beseitigung aller Ravioli und der Freisetzung ungeheurer Energiemengen führen. Ich schätze, dass zwei einzelne Canelloni genügen würden, um ganz Swindon ein Jahr mit elektrischem Strom zu versorgen. Aber ich kann mich natürlich irren.«
    »Oft hast du dich noch nicht geirrt«, sagte ich leise.
    »Ich glaube, es war ein Irrtum, dass ich überhaupt angefangen habe mit dem Erfinden«, sagte er nach kurzem Überlegen. »Man muss ja nicht alles tun, was man kann. Wenn die Wissenschaftler ein bisschen mehr darüber nachdenken würden, was sie so alles machen –«
    Er brach ab und sah mich fragend an. »Du siehst mich so merkwürdig an«, sagte er in einem ungewöhnlichen Anfall von psychologischem Scharfblick.
    »Na ja«, sagte ich vorsichtig. »Ich bin ein bisschen überrascht, dich hier anzutreffen.«
    »Ach, wirklich«, sagte er und legte sein Werkzeug beiseite. »Warum?«
    »Na ja«, sagte ich mit etwas festerer Stimme. »Ich bin überrascht, dich zu sehen, weil... du bist vor sechs Jahren gestorben!«
    »Ach, wirklich?«, sagte Mycroft besorgt. »Warum sagt mir das eigentlich niemand?«
    Ich zuckte die Achseln, denn darauf gab es nun echt keine Antwort.
    »Bist du sicher?«, fragte er und klopfte sich auf Brust und Bauch, als ob er sich überzeugen wollte, dass ich mich irrte. »Ich weiß ja, dass ich ein bisschen vergesslich bin, aber daran hätte ich mich sicher erinnert.« Zur Sicherheit fühlte er noch seinen Puls.
    »Ja, ich weiß es genau«, sagte ich. »Ich war ja dabei.«
    »Du meine Güte«, murmelte Mycroft verblüfft. »Wenn du recht hast und ich tatsächlich tot bin, dann ist das hier« – er schlug sich erneut auf den Bauch – »womöglich nur eine holografische Aufzeichnung meiner Person. Lass uns lieber mal schauen, ob hier irgendwo ein Projektor herumsteht.«
    Damit begann er, die staubigen Apparate in seiner Werkstatt zu überprüfen, und um ihn nicht zu enttäuschen, machte ich mit.
    Wir suchten gute fünf Minuten, aber nachdem wir nichts fanden, was auch nur im Geringsten einem Projektor ähnelte, setzten wir uns auf eine große Transportkiste und sagten eine Weile lang gar nichts.
    »Tot«, murmelte Mycroft frustriert. »Das bin ich ja noch nie gewesen. Kein einziges Mal! Bist du dir wirklich sicher?«
    »Absolut«, sagte ich. »Du warst siebenundachtzig. Es war zu erwarten.«
    »Ja, richtig«, sagte er, als wäre gerade eine vage Erinnerung bei ihm aufgetaucht. »Und Polly?«, sagte er plötzlich. »Wie geht’s ihr?«
    »Deiner Frau geht es gut«, sagte ich. »Sie und meine Mutter treiben wieder mal Schabernack. Aber sie vermisst dich natürlich sehr.«
    »Ich sie auch.« Plötzlich machte er ein nervöses Gesicht. »Hat sie schon einen Liebhaber?«
    »Mit zweiundneunzig?«
    »Sie sieht verdammt gut aus, und schlau ist sie auch.«
    »Na ja, sie hat keinen.«
    »Hm. Wenn du jemand Netten siehst, meine Lieblingsnichte, kannst du ruhig ein bisschen nachhelfen, ja? Ich möchte ja nicht, dass sie einsam ist.«
    »Versprochen.«
    Wir saßen noch ein bisschen stumm herum, dann fasste ich einen Entschluss.
    »Mycroft«, sagte ich fröstelnd, »wir machen mal ein Experiment.« Inzwischen war ich überzeugt, dass es möglicherweise gar keine wissenschaftliche Erklärung für sein

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