Irische Hochzeit
Edwin hatte es nicht erlaubt, und es schmerzte Isabel mehr, als sie geglaubt hatte.
Sie erreichten den Burghof, wo gerade der Priester mit einem gut gekleideten Mann sprach. Außer einem schmalen, schneeweißen Haarkranz besaß Letzterer kaum noch Haare.
„Ist er das?“, fragte Isabel. Ihr Vater gab keine Antwort. Geistesabwesend blickte er in die Ferne.
Der ältere Mann schluckte schwer und wischte sich die Hände am Saum seiner Tunika. Er blickte umher, als suchte er jemanden.
Mit glühenden Wangen schickte Isabel ein stummes Stoßgebet zum Himmel. Gott, bitte rette mich vor dieser Heirat, dachte sie, als ihr Vater ihr Handgelenk fester packte.
Einen Moment später vernahm sie den Hufschlag eines sich nähernden Pferdes. Erschrocken blickten sie zum Himmel empor. „Das ging aber schnell.“
„Was ist?“, fragte Edwin.
„Nichts.“ Isabel zwang sich, ein gleichgültiges Gesicht zu zeigen. Das Hämmern der Hufe kam näher. Ihr Vater lächelte genugtuend und bedeutete dem Priester zu warten. Der ältere Mann gesellte sich zu den Gästen. Er war also nicht der Bräutigam.
Das Geräusch wurde lauter, und Isabels Vater machte eine Bewegung, als wollte er die Hand auf den Schwertknauf legen. Einige der Gäste sahen zu Edwin hinüber, und die Frauen blickten sich unsicher an. Der Priester drehte sich mit einem fragenden Ausdruck auf dem Gesicht zu Isabel.
Sie erstarrte. Ein Mann tauchte auf und ritt auf die Gäste zu. Seine Kleider waren bessere Lumpen, getrockneter Schlamm bedeckte den Saum seines Mantels. Und doch ritt er ein wendiges Pferd, einen Hengst, der eines Ritters würdig gewesen wäre.
Er hatte sein Schwert gezogen, als wollte er jeden niedermähen, der es wagte, sich ihm in den Weg zu stellen. Gäste drängelten zurück, um sich vor dem Pferd in Sicherheit zu bringen, Frauen schrien.
Isabel schlug das Herz bis zum Hals. Doch sie richtete sich kerzengerade auf und weigerte sich zu schreien. Stattdessen eilte sie hinter einen der Männer ihres Vaters. Es war ein mit Pfeil und Bogen bewaffneter Kämpfer.
Was war nur los mit den Männern? Weder hatte sich einer von ihnen gerührt, noch hatte einer einen einzigen Pfeil verschossen. Das hier war ein einzelner Reiter. Der Eindringling bot ein leichtes Ziel. Wollte ihn denn niemand aufhalten?
„Tu doch was!“, schrie sie. Doch der Kämpfer beachtete sie nicht.
Der Mann zügelte sein Pferd und steckte das Schwert ein. Isabel stockte der Atem. Eine seltsame Vorahnung überkam sie. Nein. Das konnte nicht er sein.
Schwarzes Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Seine harten Augen sahen Isabel durchdringend an. Er wirkte stolz, furchtlos – und wild. Seine Kleidung war seltsam. Er trug eine knielange, blaue Tunika und graubraune Beinlinge. Um seine Schultern hing ein zerlumpter roter Mantel, der von einer schmalen Eisenbrosche, so lang wie Isabels Unterarm, zusammengehalten wurde. Goldbänder umschlossen seine Oberarme und wiesen auf seine Königswürde hin.
Dass ihr Vater diese Unterbrechung schweigend duldete, konnte nur eines bedeuten. Dieser Barbar war ihr zukünftiger Gatte. Isabel biss sich auf die Lippen und bekämpfte die Furcht und das Verlangen, von hier zu fliehen.
Edward bestätigte ihre Vorahnung mit den Worten: „Isabel, das ist Patrick Mac Egan, König von Laochre.“
Sie wollte es nicht glauben. Während das Pferd und das Schwert dieses Wilden auf einen hohen Rang schließen ließen, sah der Mann eher aus, als käme er frisch vom Schlachtfeld und nicht von einem Thron. Und wo waren seine Eskorte und seine Diener? Könige reisten nicht allein. Ihr Misstrauen wuchs.
Der König stieg aus dem Sattel, und Isabel hatte ein wachsames Auge auf sein Pferd. Mehr denn je wollte sie fliehen. Vielleicht würde sie in der Abtei Zuflucht finden? Es gab eine winzige Chance, dass ihr Vorhaben gelingen könnte.
„Ihr seid Lady Isabel de Godred?“, fragte der Reiter. Sein singender Akzent verlieh der normannischen Sprache einen seltsamen Klang.
„Die bin ich.“ Sie starrte den Mann wütend an. „Ist das Eure übliche Art, bei einer Hochzeit zu erscheinen? Indem Ihr versucht, die Gäste umzubringen?“
„Isabel“, ermahnte ihr Vater sie. Isabel sagte nichts mehr und unterdrückte ihre Furcht. Die stahlharten Augen des Mannes musterten sie kühl. Isabels Blick fiel auf seine Hände. Zweifellos konnten sie sie in Stücke reißen.
Einen Moment lang blinzelte der barbarische König. Dann erschien wieder dieser wilde Ausdruck auf seinem
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