Irische Küsse
dass sie nie wieder der verbotenen Versuchung erliegen würde.
„Es tut mir leid“, begann Honora zerknirscht. „Ich wollte euch nicht nachspionieren, ich wollte nur auf dich aufpassen.“
Katherine straffte die Schultern, doch dann drehte sie sich um. Augenblicklich furchte sich ihre Stirn. „Warum trägst du Männersachen?“ Sie klang so verblüfft, als sei ihre Schwester nackt ins Zimmer getreten.
„Meine … Kleider sind schmutzig“, log Honora.
Katherine machte zwar nicht den Eindruck, als glaube sie ihr, holte aber ein frisches Gewand aus der Truhe und reichte es ihr. „Hier“, sagte sie schroff.
Honora nahm es an sich, ohne es anzuziehen. „Du bist meine einzige Schwester“, fuhr sie kleinlaut fort. Ungeachtet dessen, was zwischen ihr und Ewan vorgefallen war, wollte sie nicht zulassen, dass ihre Beziehung getrübt wurde. „Und ich wollte verhindern, dass dir etwas zustößt.“
„Ich bin kein Kind mehr“, entgegnete Katherine grollend, „und brauche keinen Aufpasser.“
„Du hast ja recht“, räumte Honora ein. „Aber es ist nun mal schwer, alte Gewohnheiten abzulegen.“ Mit einem tiefen Seufzer setzte sie hinzu: „Ich habe mich abscheulich benommen.“
„Ja, das hast du“, bestätigte Katherine mit Nachdruck. „Du hattest kein Recht, uns zu bespitzeln.“
„Die Ohrfeige habe ich verdient.“ Honora betastete ihre Wange, wo Katherine sie geschlagen hatte. Die Stelle war druckempfindlich, begann zu schwellen und würde sich bald verfärben.
Katherine machte ein schuldbewusstes Gesicht. „Nein. Ich hätte dich nicht schlagen dürfen.“
Du würdest mich sogar totschlagen, wenn du wüsstest, was ich getan habe, dachte Honora reumütig. Sie schüttelte den Kopf. „Lass gut sein, ich habe es verdient.“
Sie löste die Bänder der Tunika, streifte sie sich über den Kopf und begann, das Gewand anzuziehen.
Als Katherine den geröteten Streifen über ihrer Brust sah, hielt sie Honoras Arm fest. „Was ist passiert? Habe ich das etwa getan?“
„Nein. Es war meine eigene Ungeschicklichkeit.“ Eine weitere Lüge zu all den anderen. Dankenswerterweise stellte Katherine keine weiteren Fragen.
„Soll ich dir die Wunde verbinden?“, bot sie ihr stattdessen an. „Ich bin darin zwar nicht so geschickt wie du, aber die Schwellungen müssen dir Schmerzen bereiten.“
Honoras Kehle wurde trocken. Katherines Friedensangebot kam unerwartet und unverdient. Sie wusste kaum, was sie darauf sagen sollte. „Später trage ich Salbe auf, wenn ich gebadet habe.“
Katherine half ihr wortlos, den Bliaut zu schnüren. „Ich weiß von deiner Rüstung“, sagte sie unvermutet. „Und von deinen Schwertkämpfen.“
Honora erstarrte. Sie wollte zu einer weiteren Ausrede ansetzen, aber ihre Schwester kam ihr zuvor.
„Leugne nicht.“ Katherine hob abwehrend die Hand und schüttelte den Kopf. „Ich weiß es seit einiger Zeit.“
Das hätte sie nie von Katherine erwartet.
„Wann hast du es herausgefunden?“
„Kurz nachdem du aus Longford zurückgekommen bist.“ Ihre Schwester setzte sich auf die Bettkante und faltete die Hände im Schoß. „Ich begreife zwar nicht, warum du diesen Drang zum Kämpfen hast, aber ich werde unserem Vater nichts davon sagen.“
„Manchmal begreife ich es selbst nicht“, gestand Honora. Und diesmal sagte sie die Wahrheit. Immer wenn sie die Rüstung anlegte, lastete nicht nur das Gewicht des eisernen Kettenhemds auf ihren Schultern. Das absonderliche Bedürfnis, sich mit dem Schwert zu behaupten, bedrückte sie gleichfalls.
„Ich habe mir schon überlegt, ob es der Geist unseres Bruders ist“, fuhr Honora nachdenklich fort. „Als würde ein Teil von ihm in mir weiterleben. Ist es töricht von mir, kämpfen zu wollen so wie er es getan hätte?“
„Ja, das ist es.“ Katherine senkte den Blick auf ihre im Schoß gefalteten Hände. „Ich habe Angst um dich. Wenn du nicht damit aufhörst, könntest du eines Tages getötet werden. Du hast nicht die Kraft eines Mannes.“
Normalerweise hätte sie ihrer Schwester widersprochen, denn sie hatte zahlreiche Gefechte gewonnen. Aber letztlich hatte sie recht, so wie auch Ewan recht hatte. Heute musste sie eine Niederlage hinnehmen, da sie nicht achtsam genug gewesen war. Ihre Angst vor John hatte sie unsicher gemacht.
Katherine stand auf und legte die Arme um sie. Dankbar erwiderte Honora die schwesterliche Zärtlichkeit. „Ich wollte dich nicht beunruhigen.“
„Hör einfach auf damit“, bat Katherine.
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