Irische Küsse
Kämpfer. Ihr Herzschlag raste, ihre Furcht wuchs. Sie hatte zwar volles Vertrauen in ihr Kampfgeschick, aber in völliger Finsternis blind um sich zu schlagen, erhöhte die Gefahr, der sie ausgesetzt war, beträchtlich.
Und es befand sich immer noch eine dritte Person in der Kapelle, die sie nicht sehen konnte. Die Schritte des Angreifers wurden nun schneller, leichter, obgleich sie nicht sagen konnte, ob sie sich ihr näherten oder von ihr entfernten.
Sie schwang die Klinge erneut, traf etwas – und wurde mit einem zischenden Schmerzenslaut belohnt. „Wer seid Ihr?“, fragte sie fordernd. „Was wollt Ihr?“ Schweigen.
Sie hob das Schwert ein weiteres Mal zum Schlag aus – und verfehlte den Verbrecher. Angestrengt horchte sie, während sie die Klinge in Schulterhöhe hielt. Nichts, nur der kühle Luftzug von der offenen Tür her. Kein Schritt, kein Atemzug durchdrang die Stille. Beide Gestalten waren auf einmal verschwunden.
Wieso?
Oder hatte etwa einer den anderen in die Flucht geschlagen? Wie ein unsichtbarer Beschützer?
Honora furchte die Stirn und sank wieder auf die Knie. Das Heft des Schwertes lag in ihrer erhitzten Hand, ihr Herz pulsierte vor Energie. Es war erst ein halbes Jahr vergangen, seit sie aus Ceredys, der Burg ihres Gemahls, geflohen und in die Festung ihres Vaters zurückgekehrt war. Hier, in Ardennes, hatte sie geglaubt, sicher zu sein. Nun begann sie daran zu zweifeln.
Es war beängstigend, dass dieser Strauchdieb es gewagt hatte, erneut in Erscheinung zu treten, als würde er etwas Bestimmtes suchen. Nur was konnte das sein?
Honora überlegte, ob sie in ihre Kammer zurückkehren sollte. Aber ihre Schwester Katherine schlief noch, und keinesfalls wollte sie die in Gefahr bringen, falls die Angreifer sie verfolgten.
Sie zündete die Kerzen am Ewigen Licht wieder an, versuchte sich zu beruhigen und atmete den Duft von Kerzenwachs und kaltem Weihrauch ein.
Mit dem Schwert in der Hand kauerte sie sich auf die Steinplatten und lehnte den Rücken gegen die Mauer. Die Kälte kroch ihren Körper hinauf, und sie zog die Knie an und steckte die Füße unter die Röcke.
Erst in diesem Augenblick bemerkte sie die fehlende Schatulle, die sie aus Ceredys mitgebracht hatte, ein Geschenk ihrer Schwiegermutter Marie St. Leger.
Sie war gestohlen worden.
Wütend starrte sie auf die leere Stelle, wo sie noch vor Kurzem gestanden hatte. Sie sprach ein stummes Gebet für Maries Seele und schwor sich, den Gauner zur Strecke zu bringen.
„Sie wird dich nicht heiraten.“
Ewan MacEgan legte die Hand an die Augen, um gegen die grelle Sonne geschützt zu sein, die langsam hinter den Hügeln versank. Die Äußerung seines Bruders überraschte ihn nicht. Er war der jüngste Sohn und besaß nur ein winziges Stück Land. Mit welchem Recht glaubte er, um die Hand einer reichen Erbin anhalten zu können?
Aber Lady Katherine of Ardennes war die Frau, die er verehrte, seit er noch ein halbes Kind war. Während andere sich über seine Unbeholfenheit lustig machten, hatte sie gelächelt und ihm versichert: „Eines Tages besiegt Ihr sie alle.“
Schon damals hatte ihm Lady Katherines sanftes Wesen Zuversicht gegeben. Nun war sie erwachsen, eine Lady, um deren Gunst sich zahllose Ritter bewarben. Und Ewan hatte sich vorgenommen, sie zu umwerben und zur Braut zu nehmen.
„Ich kenne sie, seit wir Kinder waren“, erklärte Ewan seinem Bruder.
Bevan lenkte sein Pferd zum Fluss und ließ es trinken. „Das liegt fünf Jahre zurück. Ihr Vater will sie mit einem reichen normannischen Adeligen verheiraten, nicht mit einem mittellosen Iren.“
„Ich bringe es zu Reichtum, verlass dich drauf“, entgegnete Ewan eigensinnig. „Ich werde ihr die schönste Burg errichten lassen, die sie sich nur wünschen kann.“ Er sprach zwar im Brustton der Überzeugung, doch auch er hatte seine Zweifel, ob Lord Ardennes ihn als Bewerber um Katherines Hand überhaupt in Erwägung ziehen würde. Das Einzige, was er zu seinen Gunsten anführen konnte, war seine königliche Abstammung, da sein ältester Bruder Patrick König jener Provinz in Éireann war, in der auch er lebte.
Bevan tätschelte den Hals seines Pferdes. „Wir können dir helfen. Nimm das Land, das Patrick dir angeboten hat.“
„Ich nehme nichts, was ich mir nicht selbst erworben habe. Ich erobere mir mein eigenes Land.“ Er wollte kein Schmarotzer sein, der sich durch den Wohlstand seiner Angehörigen mehr aneignen konnte, als ihm zustand.
„Das lässt
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