Irische Küsse
die schwere Rüstung hinderte sie daran, sich aufzusetzen. Dann hörte sie eine Männerstimme.
„Ihr habt den Kampf gewonnen, Ceredys. Lasst den Burschen zufrieden und genießt Euren Sieg. Ihr habt den Kleinen genug gedemütigt.“
Es war Ewans Stimme. Sie flehte zu allen Heiligen im Himmel, er möge sie nicht erkennen. Schon gar nicht nach dieser schmachvollen Niederlage.
Honora rollte sich zur Seite und richtete sich mühsam zum Sitzen auf, was das schwere Kettenhemd beinahe unmöglich machte. Ihr Rücken schmerzte, ihre Brust brannte höllisch. Hätte sie die Rüstung nicht getragen, wäre sie zweifellos getötet worden.
Schwerfällig kam sie auf die Füße und ließ den Kopf hängen. Das war der schlechteste Kampf, den sie je geliefert hatte. Wo war ihr Mut geblieben, ihr Geschick mit der Waffe? Angesichts der Bedrohung, die von Johns Schwert ausging, hatten sie ihre Fähigkeiten verlassen.
Zum Glück kümmerte sich keiner um sie, als sie schleppenden Schrittes den Turnierplatz verließ. Doch dann hörte sie, wie jemand ihr folgte. Mit einem Blick über die Schulter erkannte sie, dass es Ewan war. Verdammt, was wollte er?
Guter Gott, lass ihn einen anderen Weg einschlagen, flehte sie. Sie musste die Rüstung loswerden und ihre Wunden versorgen, außerdem wollte sie allein sein.
Als sie den Donjon betrat, holte er sie ein. Seine Stimme war nur ein Flüstern. „Ich weiß, dass du es bist. Und ich weiß auch, was du vorhast, Honora. Ich muss mit dir reden. Jetzt.“
Er hatte sie erkannt. Aber wieso? Haare und Gesicht waren unter dem Helm verborgen, und ihre weiblichen Formen hatten durch das Kettenhemd ihre Konturen verloren.
Sie bedachte ihn mit einem wütenden Blick, und mit ebenso leiser Stimme entgegnete sie: „Und was habe ich vor?“
„Komm augenblicklich in meine Kammer“, knurrte er. „Oder ich rede ein paar Worte mit deinem Vater.“
„Meine Rüstung …“, protestierte sie.
„Zieh sie aus. Aber versuche nicht mir zu entkommen. Ich erwarte dich augenblicklich, sonst hole ich dich.“
Müde stieg sie die Steinstufen hinauf. Als sie die Kammer erreichte, die sie mit ihrer Schwester teilte, schmerzten ihr sämtliche Glieder. Sie öffnete die Tür einen Spalt und fluchte innerlich, als sie Katherine am Fenster sitzen sah.
Allmächtiger, sie durfte nicht eintreten, durfte sich ihrer Schwester nicht in Ritterrüstung zeigen. Lautlos zog sie die Tür wieder zu, schleppte sich weiter bis zu Ewans Schlafkammer und klopfte zaghaft. Als die Eichentür mit größter Heftigkeit aufgerissen wurde, hätte sie vor Schreck beinahe das Gleichgewicht verloren und wäre umgefallen.
Ewan schob den Holzriegel vor, nachdem sie das Gemach betreten hatte. Er nahm ihr Helm und Kettenhaube ab. „Ich dachte, du wolltest dich umziehen.“
„Katherine ist in unserer Kammer“, gestand sie. „Sie darf mich nicht sehen.“
Ewans Züge verhärteten sich. „Aber unter den Rittern stolzierst du herum, als würdest du zu ihnen gehören. Warum? Warum begibst du dich mutwillig in Gefahr?“
„Ich wollte üben, sonst verliere ich meine Kraft und mein Geschick. Ich muss …“
„Du hast es nicht nötig, ein Schwert zu schwingen.“ Er half ihr, Kettenhemd und Wams abzulegen. „Verdammt noch mal, Ceredys hätte dich verletzen können.“
Er hat mich verletzt, wollte sie sagen, aber ihre Zunge verweigerte ihr den Gehorsam.
Nur mit Tunika und Beinlingen bekleidet, setzte Honora sich auf einen Hocker, beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. Das Kettenhemd hatte sie zwar vor einer Schnittverletzung geschützt, aber das Eisen hatte Blutergüsse verursacht. Jeder Knochen tat ihr weh, Schultern und Arme brannten. Sie sehnte sich danach, in einem Holzzuber mit heißem Wasser zu versinken, um sich dadurch Linderung zu verschaffen.
„Du hast Schmerzen. Lass mich mal sehen.“ Ohne um Erlaubnis zu fragen, ging er vor ihr in die Knie und löste die Verschnürung der Tunika – und sie ließ ihn gewähren. Er streifte ihr das Gewand von den Schultern und entblößte den Striemen über ihren Brüsten, der sich zu verfärben begann.
Vorsichtig tastete er mit den Fingern über die Schwellung. „Du hättest dich nicht auf einen Zweikampf mit dem Kerl einlassen dürfen.“
„Das weiß ich jetzt auch.“ Aber in ihrer Anmaßung hatte sie geglaubt, John besiegen zu können. Sie wollte Rache für alles, was er verbrochen hatte. Und sie hatte versagt. Wieder einmal.
Heiße Tränen sprangen ihr in die Augen,
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