Irische Küsse
verheiraten?“, fragte ihr Vater.
„Nein!“, widersprach sie heftig. Hatte sie nicht genug gelitten in ihrer Ehe? Ranulf hatte nach der Hochzeit gottlob nur noch ein Jahr gelebt. Und sie wollte nie wieder einen Ehemann. Gott behüte!
Ihr Vater legte die gespreizten Finger aneinander. „Ich hatte gehofft, Ranulf wäre dir ein guter Ehemann, der dir ein angenehmes Heim und ein gutes Leben bietet. Niemand konnte vorhersehen, dass er so früh sterben würde.“
Honora verschwieg geflissentlich, wie erleichtert sie über seinen frühen Tod war. Aber wieso kam ihr Vater bloß auf die Idee, sie wünsche sich einen zweiten Ehemann?
Sie bekreuzigte sich in einer halbherzigen Bitte um Gottes Vergebung. „Ich will nicht wieder heiraten.“
Nicholas betrachtete sie mit sorgenvoller Miene. „Du kannst nicht ewig hier bleiben, Honora. Es ist nun ein halbes Jahr vergangen, seit du Ceredys den Rücken gekehrt hast.“
Das war nicht lange genug. Sie ließ beschämt den Kopf hängen. Schuldgefühle nagten an ihr.
„Ein Drittel von Ranulfs Landbesitz steht dir nun nach dem Gesetz zu“, fuhr Nicholas fort und musterte sie scharf. „Zu schade, dass du keine eigenen Söhne hast. Dadurch hätte sich dein Anteil erhöht.“
Und dem Himmel sei Dank dafür! Sie wollte keinen Sohn aus dem Geschlecht der Ceredys, keine ständige Erinnerung an Ranulf St. Leger. Ihr Gemahl hatte den Großteil seines Landbesitzes seinem erwachsenen Sohn John aus erster Ehe vermacht.
Und John glich einer Schlange, glatt, hinterhältig und gemein. Sie erschauerte bei dem bloßen Gedanken an ihn. Sie würde ihm liebend gern ihr Drittel Land und ihre Mitgift überlassen, wenn sie ihn damit für immer loswerden könnte.
Sie gab sich selbst die Schuld daran, was auf Ceredys geschehen war. Nicht einmal mit der Fürsprache und dem Einfluss von Johns Großmutter Marie St. Leger war es ihr gelungen, seinen Vater und ihn daran zu hindern, die Dorfbewohner und Lehnbauern zu misshandeln, bis zum Verhungern auszubeuten und ihnen die letzte Kupfermünze abzujagen.
Was für ein jämmerlicher Krieger war sie, wenn sie nicht einmal fähig war, ihre Schutzbefohlenen von ihrem elenden Los zu befreien? Die Zeit lief ihr davon, und sie hatte es immer noch nicht geschafft, sich einen Plan zurechtzulegen.
„Wie lange willst du dich noch hinter meinen Burgmauern verstecken?“, fragte ihr Vater nun mit leisem Tadel.
„Ich verstecke mich nicht.“
Sein Blick gab ihr zu verstehen, dass er ihr keinen Glauben schenkte.
„Ich kehre nach Ceredys zurück“, sagte sie gefasst. „Das wird in absehbarer Zeit passieren.“
Wenn John entmachtet wäre, könnte sie versuchen, den Schaden, den er angerichtet hatte, wieder gutzumachen. Aber ohne Unterstützung konnte sie ihn nicht stürzen. „Ich wiederhole meine Bitte, Vater. Gib mir Soldaten.“
„Nein. Es steht mir nicht zu, mich in Johns … Angelegenheiten auf Ceredys einzumischen – genauso wenig wie dir.“
„Er schindet die Lehnbauern bis aufs Blut und lässt sie verhungern“, entgegnete sie erzürnt. „Ich kann nicht tatenlos zusehen, wie diese unschuldigen Menschen geknechtet werden.“
Die Miene des Barons verhärtete sich. „Dann rate ich dir, einen Mann mit einer Armee zu heiraten.“
Honora seufzte und schüttelte mutlos den Kopf. Nein, sie wollte einen Weg finden, um diesen armen Leuten zu helfen, ohne sich ein zweites Mal an einen Ehemann zu binden.
Nicholas schien sich von ihrer Weigerung nicht beeindrucken zu lassen. „Das ist die beste Lösung. Du bist noch jung genug, um gesunde Söhne zu gebären.“
Sie griff an ihre Seite, hatte aber vergessen, dass sie ihren Dolch nicht bei sich trug. Der reflexartige Griff um das Heft der Klinge gab ihr stets Trost und Kraft, wobei sie bezweifelte, ob ihr die Geste diesmal geholfen hätte.
„Vater, bitte.“ Sie schloss die Augen und wünschte, es gäbe etwas, was ihn zur Einsicht bringen könnte. „Ich brauche Zeit.“
Nein, sie würde nicht wieder heiraten. Niemals würde sie die zwölf Monate der Hölle vergessen, die sie in ihrer Ehe durchlitten hatte, und auch nicht die folgenden Monate, in denen sie sich bemüht hatte, John aus dem Weg zu gehen.
„Du wirst nicht jünger. Und wenn du Kinder willst, bleibt dir keine andere Wahl“, gab ihr Vater zu bedenken.
Honora schluckte schwer und mied seinen Blick. Der Gedanke, ein Kind zur Welt zu bringen, erfüllte sie mit Entsetzen. Sie hatte als Ehefrau versagt. Wie konnte sie erwarten, eine gute
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