Irische Küsse
geirrt“, lautete seine knappe Erklärung.
Bevan glaubte ihm nicht und wartete auf nähere Einzelheiten, wozu Ewan allerdings nicht bereit war. Honoras Eindringen hatte ihn aus dem Tiefschlaf gerissen, mit dem nächtlichen Besuch einer Frau hatte er nicht gerechnet.
Sein Unbehagen wuchs, denn er hatte sie in einer spontanen Aufwallung geküsst. Zunächst hatte er geglaubt, Katherine sei zu ihm gekommen. Wie dumm von ihm. Katherine war scheu und zurückhaltend, ganz das Gegenteil ihrer dreisten Schwester.
Honora. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und dachte an den Kuss, den er ihr gestohlen hatte, dessen Geschmack noch an ihm haftete. Süß und frisch, so gar nicht zu dem eigensinnigen Mädchen passend, das ihn vor so vielen Jahren belästigt hatte.
„Ihr Vater wird nicht erbaut darüber sein“, fing Bevan wieder an. „Ich habe heute Nacht ein halbes Fass Bier mit ihm getrunken und mich für dich verwendet.“ Er verzog das Gesicht wegen der späten Zeit und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Sorge dafür, dass er nichts davon erfährt. Ich bezweifle, dass er dir seine jüngste Tochter zur Frau gibt, wenn du gleichzeitig mit ihrer Schwester herumtändelst.“
„Honora hat mich aus dem Tiefschlaf geweckt“, knurrte Ewan, legte sich auf seinen Strohsack und warf die Wolldecke über sich. „Es war nicht meine Schuld.“
„Was wollte sie?“
„Sie suchte jemand“, meinte er achselzuckend, als habe es keine Bedeutung. Wenn er jetzt darüber nachdachte, würde er sich fragen, wen sie gesucht haben mochte. Das aber wollte er nicht. „Was hat ihr Vater sonst noch gesagt?“
„Er will deine Bewerbung in Betracht ziehen. Auch Thomas de Renalt hat sich günstig über dich geäußert und scheint die Verbindung zu befürworten.“
Bei der Erwähnung seines Pflegevaters wich Ewans innere Anspannung ein wenig. „Gut.“
Er richtete den Blick zu den Deckenbalken, während Bevan sich auf seiner Pritsche ausstreckte. Die Flamme der Fackel warf unruhige Schatten an die Mauer. Nur das leise Schnarchen anderer Gäste in den angrenzenden Kammern war zu hören. In der Ferne bellte ein Hund, ansonsten war Stille in der Burg eingekehrt.
Honoras Haar war kurz, es reichte ihr kaum bis zu den Ohren. Eine zerzauste Mähne, die sich unerwartet seidig angefühlt hatte. Früher hatte er sie nur mit einem Schleier gesehen. Er dachte an den Kuss und daran, wie er die Hände in ihre weiche Fülle gewühlt hatte.
Ihr Haar war schwarz wie die Nacht, ihre Haut weiß wie Milch. Volle Lippen hatten seinen Kuss erwidert, hatten nach Apfel geschmeckt, saftig und süß. Ihre Arme waren nicht nachgiebig wie die anderer Frauen, sondern sehnig und kraftvoll. Wie oft hatte sie versucht ihn im Kampf zu bezwingen, als sie eine Zeit lang gemeinsam bei den Pflegeeltern aufwuchsen? Und sie hatte ihn häufiger besiegt, als ihm lieb war.
Diese Zeiten waren vorbei.
Er drehte sich auf dem Strohsack um, zog die Decke über die Ohren und versuchte an Katherine zu denken, als der Schlaf ihn übermannte. Trotzdem konnte er Honoras Kuss nicht vergessen.
2. KAPITEL
„Man hat dich gesehen, wie du gestern Nacht aus der Schlafkammer der MacEgan-Brüder gekommen bist.“ Nicholas de Montford, Baron of Ardennes, stellte seinen Becher ungehalten auf den Tisch seines Gemachs und verschränkte die Hände. Seine goldenen Ringe blitzten in der Morgensonne.
Honoras Wangen glühten, während sie nach einer Ausrede suchte. „Es war ein Versehen. Ich suchte nur etwas …“
„Deine Kammer liegt auf der anderen Seite des Wehrturms. Spar dir deine Ausreden.“
Ertappt. Ihr Vater war kein Narr. Er musterte sie mit strenger Miene, als wäge er eine Entscheidung ab. Sie faltete die Hände im Schoß und wartete, bis er fortfuhr. Als er schwieg, wuchs ihre Unruhe. Hatte er vor sie zu bestrafen? Was wollte er?
„Es ist nichts passiert“, sagte sie schließlich. „Ich bin sofort wieder gegangen.“
„Das tut nichts zur Sache. Du bist Witwe und hast dich gefälligst sittsam zu betragen.“
Er klang, als sei sie in MacEgans Kammer eingedrungen, in der Absicht, ihm die Unschuld zu nehmen. Honoras Wangen glühten beim Gedanken an seinen kraftvollen nackten Körper noch mehr. Als Heranwachsender war Ewan ein schmächtiges Bürschchen gewesen. Der Gedanke an seinen Kuss krampfte ihr den Magen zusammen. Sie grub die Fingernägel schmerzhaft in ihre Handflächen, im Versuch, das Bild zu verdrängen.
„Hast du die Absicht, dich wieder zu
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