IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)
schmetterte. Sie gönnten sich eine großartige kulinarische Vater-und-Sohn-Orgie mit riesigen Chili-Dogs, einem gewaltigen Haufen Pommes und einem Nachtisch mit neun verschiedenen, ineinandergeschmolzenen Eiscreme-Sorten und Kakifrucht, bei dem sie sich mächtig einsauten.
»Mir ist schlecht«, stöhnte Jack, als er den letzten Schluck Bier austrank.
»Mir nicht«, erwiderte Randy.
»Du bist neun, deshalb ist dir nicht schlecht. Niemandem, der neun Jahre alt ist, wird schlecht, wenn er nicht gerade Essen für Erwachsene wie Tintenfisch oder Escargots futtert. Davon wird ihm schlecht.«
»Was ist ein Escargot?«
»Eine Schnecke. Das ist das französische Wort für Schnecke. Man backt sie in ihrem Haus und serviert sie in Knoblauchbutter, weißt du? Und das ist etwas Besonderes. Mmmmh! Die solltest du bei Gelegenheit unbedingt mal probieren!«
»Und du hast sie mal gegessen? Schnecken?!«
»Nicht mehr, seit ich Mitglied bei Greenpeace bin. Da habe ich mir geschworen, dass ich nie wieder etwas esse, das langsamer ist als ich selbst.«
Randy löffelte den Rest seines Eisbechers aus. Jack beobachtete ihn stolz, aber auch mit einer gewissen Unsicherheit. Es war nicht leicht, einen Sohn von seiner Mutter zu trennen. Wenn man das tat, musste man mit ihm vorsichtiger als gewöhnlich umgehen. Man musste Vater und Mutter zugleich sein und noch irgendetwas dazwischen. Freund, guter Zuhörer und Schmusedecke.
Als Randy fertig war, lehnte sich Jack in seinem Stuhl zurück, sah ihn an und lächelte. »Was für ein Freund?«, wollte er schließlich wissen.
Randy lief rot an.
»Komm schon«, drängte Jack, »was für ein Freund? Du weißt, wovon ich rede. Du hast deiner Mutter erzählt, dass du in The Oaks einen Freund gefunden hättest. Das war ja wohl eine faustdicke Lüge, wie sie im Buche steht.«
»Ich darf es dir eigentlich nicht erzählen«, brachte Randy hervor.
»Was darfst du mir nicht erzählen?«
Randy schwieg lange. Da tauchte die Kellnerin vor ihrem Tisch auf und fragte: »Seid ihr beiden Jungs denn auch satt geworden?«
Sie trug einen sehr kurzen Rock und gewährte tiefen Einblick in ihr Dekolleté. Sie hatte schwarzes, wuscheliges Haar und eine Nase, mit der man eine Dose Tomaten hätte öffnen können. Als sie sich über ihn beugte, um das leere Geschirr abzuräumen, fragte sich Jack, ob sie jemals mit jemandem ins Bett gestiegen war – und falls ja, was sie davon gehalten hatte. Es lag eine gewaltige Kluft zwischen dem Abräumen von eingesautem Geschirr und dem Erreichen eines sexuellen Höhepunkts.
Plötzlich wurde ihm bewusst, dass man ihm seine Frustration deutlich ansehen konnte. Er setzte sich aufrecht hin und versuchte mit aller Macht, desinteressiert und distinguiert zu wirken.
»Ist dir wirklich schlecht?«, wollte Randy wissen.
Er verfluchte Gott dafür, dass Kinder so feine Antennen besaßen. Jack schüttelte den Kopf. »Ich will wissen, was für ein Freund. Und wer sagt, dass du es mir nicht verraten sollst?«
»Lester«, antwortete Randy zögernd.
» Lester? Wer zum Teufel ist Lester?«
»Na ja, manchmal nennt er sich Lester und manchmal so etwas wie … Belfried.«
Jack drehte seinen Eislöffel zwischen den Fingern.
»Randy … ich will, dass du mir jetzt die Wahrheit sagst. Diesen – wie heißt er gleich – Lester, den hast du erfunden, oder? Du hast ihn erfunden, damit Mom dir erlaubt, bei mir zu bleiben, richtig?«
Randy schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn gesehen.«
»In The Oaks?«
Randy nickte. »Er hat gesagt, dass ich es niemandem verraten darf. Nicht meiner Mutter oder meinem Vater oder irgendjemandem sonst.«
»Warum nicht?«
»Ich weiß es nicht. Eben drum. Er hat gesagt, dass ich es auch den anderen nicht sagen darf, denn die sind gemein und gefährlich. Er sagte, dass man einige von ihnen hinter Schloss und Riegel bringen sollte.«
Eine elterliche Alarmglocke begann in Jacks Kopf zu läuten. Es wurde ihm bewusst, dass Randy durchaus die Wahrheit sagen mochte oder eine Geschichte erzählte, die teilweise aus kleinen Flunkereien bestand und teilweise den Tatsachen entsprach. Kinder in Randys Alter verwendeten in der Regel keine Ausdrücke wie »hinter Schloss und Riegel«, es sei denn, ein Erwachsener hatte sie ihnen in den Mund gelegt.
Es war durchaus möglich, dass Randy jemanden getroffen hatte, während sie The Oaks besichtigten. Das Haus war groß genug und Randy war allein unterwegs gewesen. Aber wer zum Teufel war es? Vielleicht ein Hausbesetzer? Oder
Weitere Kostenlose Bücher