IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)
den Untergrund aus The Oaks entkommen kann, hinterher aber trotzdem noch im Boden festhängt?«
Ein spezielles Opfer ist notwendig, erklärte die junge Frau ihm. Nur so kann die Schuld beglichen werden.
Jack versuchte, die Augen von Pater Bell abzuwenden. Er bemerkte, dass dessen Blut noch immer an seinen Schuhsohlen klebte. Leise sagte er: »Ich will, dass du Quintus Miller sofort eine Nachricht von mir überbringst, verstanden? Entweder lässt er meinen Sohn gehen, und zwar sofort, oder ich werde dafür sorgen, dass ihm mehr Leid widerfährt als jemals zuvor in seinem Leben. Und damit eins klar ist: Ich bin kein freigeistiger Psychiater wie Elmer Estergomy und auch kein gutherziger Padre wie Pater Bell. Ich empfinde überhaupt kein Mitleid für Quintus Miller oder für dich – nicht die Bohne. Ich werde ihm kräftig Feuer unterm Arsch machen.«
Jack hielt inne und atmete tief durch. Dann erkundigte er sich: »Was meinst du übrigens mit speziellem Opfer?«
Schulden müssen beglichen werden, Jack. Nichts ist umsonst.
»Wovon redest du? Was für ein Opfer?«, schrie er sie an.
Ein Blutopfer. Was denn sonst? 800 Leben, eins für jeden Monat unserer Gefangenschaft.
»Was faselst du da? Das ergibt keinen Sinn!«
800 Leben müssen geopfert werden, Jack. Für jedes Leben, das aus der Erde zurückkehrt, erlöschen im Gegenzug 800 andere.
Jack stand da und starrte sie an, die Hände in die Hüfte gestemmt. Er war vor Ungläubigkeit wie gelähmt. »800 Menschen müssen getötet werden? 800 Opfer für jeden Patienten, der aus der Erde herauskommen will?«
Das weiße Gesicht nickte. 800 Leben für jedes unserer Leben.
»Aber das sind – Tausende von Menschen! Ihr könnt nicht einfach Tausende Menschen töten!«
Die Götter werden uns zu keinem geringeren Preis freigeben.
Jack hielt sich die Hand vor den Mund. Er begann allmählich zu verstehen, warum Pater Bell so verzweifelt versucht hatte, Quintus Miller nicht aus seinem Gefängnis zu entlassen.
800 für jeden von uns, beschwor die junge Frau ihn. Das ist nicht zu viel verlangt.
»Also wird Quintus Miller meinen Sohn nicht ziehen lassen, ehe er 800 Menschen umgebracht hat und sich damit aus der Erde befreien kann?«
Quintus Miller ist 8000 gewöhnliche Sterbliche wert. Quintus Miller ist so viel wert wie alles Leben auf der Welt.
Jack hatte sich noch nie so machtlos gefühlt wie in diesem Moment. »Was muss ich tun?«, wollte er von der jungen Frau wissen. »Darauf warten, dass Tausende Unschuldiger sterben? Und was passiert dann?«
Du hast einen Deal abgeschlossen, Jack. Ein Deal ist ein Deal. Die Freiheit deines Sohnes für die Freiheit von Quintus Miller.
»Aber Tausende Menschen, Gott im Himmel …«
Das war die Vereinbarung, Jack. Du hast dich darauf eingelassen. Damit musst du jetzt leben.
Jack eilte die Stufen hinab und stürzte durch die Halle in die Nacht. Blitze zuckten am Horizont in Richtung Baraboo und Mirror Lake auf. Er verließ The Oaks durch das Gewächshaus und rannte über den Kiesweg bis zur Vorderseite des Hauses. Als er um die Ecke des Gebäudes bog, erschütterte ein Donnerschlag sein Trommelfell und der Regen schoss in solchen Sturzbächen aus den Wolken, dass er sich unter dem Dachvorsprung des Küchenfensters Schutz suchte.
Jack stand da und schnaufte, während die Tropfen auf ihn herunterprasselten. Er betete darum, dass es sich lediglich um einen schrecklichen Albtraum handelte. Du wirst gleich aufwachen, Jack, zu Hause in deinem Bett. Maggie hat sich an dich gekuschelt und die Sonne dringt durch die rosafarbenen Schlafzimmervorhänge hinein. Du kannst das blecherne Geräusch des Fernsehers hören, den Randy im Wohnzimmer ganz leise eingeschaltet hat, um sich eine dieser Zeichentrickserien im Morgenprogramm anzuschauen. Speedy-bee, Speedy-bo, die schnellste Maus von Mexiko-o-hoo!
Er wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht. Sein Kombi stand am Ende der Allee. Sobald der Regen ein wenig nachließ, würde er schnell hinüberlaufen. Jack wurde das Gefühl nicht los, dass es seit dem Tag seiner Geburt ununterbrochen geregnet hatte. Er konnte sich nicht mehr an Sonnenschein oder Schnee erinnern. Nur an seinen Vater, der sich zu ihm beugte und ihm die Hand wie eine Pranke aufs Knie legte, während der Regen draußen auf den See klatschte. Und sein Vater sagte: »Wenn du nichts zu sagen hast – dann sag nichts. Das ist mein Motto.«
Jack fand später heraus, dass jemand namens Charles Colton genau das Gleiche gesagt
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