IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)
Bekreuzigung in sämtliche Richtungen. Domine sancte, pater omnipotens, aeterne Deus.
Blut spritzte durch das Zimmer. Für einen Augenblick hing das blutige Symbol, das Pater Bell mit seinem verstümmelten Ellenbogen gezeichnet hatte, in der Luft wie bei einem Gartenschlauch, der statt mit Wasser mit geronnenem Blut eine Acht in die Luft malte. Dann war alles rot – der Boden, die Wände, die Decke – und Pater Bell rollte ohne einen Laut durch das Zimmer, während seine beschädigten Arme steif vor seinem Körper herunterbaumelten. Das Geräusch klang hohl und trommelnd.
Als er die Tür erreichte, war er bereits tot.
Jack stand da und hielt sprachlos vor Schock seine eigenen blutigen Hände von sich gestreckt.
»Herrgott im Himmel, was habe ich nur getan?«, hörte er sich selbst sagen, doch der Stress hatte ihn fast taub gemacht.
Er kniete sich neben Pater Bells reglosen Körper. Der ehemalige Priester lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Seine Augen standen offen – sie starrten ins Nichts. Jack hatte nicht einmal die Nerven, ihm die Lider zu schließen. Allmächtiger Gott, er war noch warm!
Jack sah sich im Zimmer um. Blut lief die Wände hinunter und klatschte vernehmlich auf den Boden. Die Luft roch nach einem gerade eingetretenen Tod, wie in einem Schlachthaus.
»Ihr habt versprochen, mir meinen Sohn zurückzugeben!«, sagte er ohne große Hoffnung.
Es kam keine Antwort. Nur der Regen und das langsame, zähflüssige Tropfen von Pater Bells Blut waren zu hören. Jack stand auf und atmete ein paarmal tief durch. Zum ersten Mal, seit er der grau-weißen Gestalt in das Tal nach The Oaks gefolgt war, wurde ihm bewusst, dass man ihn zum Narren hielt. Quintus Miller hatte ihn hergelockt und er hatte ihn indirekt auch dazu getrieben, zu Olive Estergomy zu gehen, die ihn dann auf Pater Bells Spur ansetzte.
An diesem allerersten Tag, als ihm die grau-weiße Gestalt vors Auto gelaufen war, musste Quintus Miller irgendwie gespürt haben, dass er seines bisherigen Lebens überdrüssig war, und hatte ihn deshalb an diesen Ort gelockt. Den Rest erledigten dann Angst, Schmeichelei, Erpressung und Gewalt. Das war Quintus Millers Art. So überzeugend konnte nur ein wahrer Verrückter sein!
Jack schrie die kahlen Wände an: »Ich will meinen Sohn zurück. Hört ihr mich, ihr verdammten Irren? Ich will meinen Sohn zurück! Ich will ihn zurück! Ihr habt es versprochen! Gebt ihn mir wieder!«
Es folgte ein lang gezogenes Schweigen. Dann dehnte sich die Wand aus und die Hälfte eines Frauenkörpers mit langem, gelocktem Haar erschien im Profil. Ihre Augen waren geschlossen und blieben es auch.
Quintus wird sein Versprechen halten. Das tut er immer. Ihre Stimme klang wie eine kleine Glocke, die durch den Nebel eines Sonntagmorgens drang.
»Ich will meinen Sohn jetzt!«, erklärte Jack.
Quintus wird dir dein Kind zurückgeben, sobald er frei ist.
»Quintus ist schon frei. Ihr seid alle frei. Los, öffne deine Augen! Schau dir die Leiche hier an! Das ist ein Mann, ein unschuldiger Mann! Ihr habt einen unschuldigen Mann gefoltert und getötet!«
Die Stimme der Frau klang kalt, als sie erklärte: Pater Bell war niemals unschuldig. Du hättest sehen müssen, was er einigen der Patientinnen angetan hat. Besonders den jüngeren. Sie waren erst zwölf oder dreizehn Jahre alt und konnten sich noch nicht wehren. Es gibt keinen Grund, um Pater Bell zu trauern.
»Hör mir mal gut zu«, echauffierte sich Jack. »Mir ist scheißegal, was 1926 vorgefallen ist. Quintus Miller interessiert mich einen feuchten Kehricht und für dich gilt das Gleiche. Ich will meinen Sohn zurück, mehr nicht. Ich will ihn hier bei mir haben, und zwar sofort. So lautete die Abmachung. Verstanden? Das war die verdammte Abmachung!«
Die junge Frau drehte ihren Kopf in Jacks Richtung, aber sie hielt die Augen weiter geschlossen. Sie wäre wunderschön gewesen, hätte ihre Stirn nicht ganz so weit vorgestanden. Und etwas an ihrem Mund kam ihm seltsam vor. Ihr Unterkiefer hing schlaff herab.
Quintus wird dir dein Kind zurückgeben, sobald er frei ist.
»Ich hab’s dir doch schon gesagt, verdammte Axt! Er ist bereits frei!«
Die junge Frau lächelte humorlos. Er ist nicht mehr an dieses Gebäude gebunden, das stimmt. Doch er kann sich noch nicht von der Erde lösen.
»Das verstehe ich nicht.«
Es braucht ein besonderes Opfer, um seine irdischen Fesseln zu lösen.
»Ach ja? Willst du damit etwa andeuten, dass er zwar durch die Wände und
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