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Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Titel: Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Fuehmann
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zechen!«
    Diesen Vorschlag machte er nur, weil er heimlich den Bogen vertauschen wollte. Die Freier errieten seine Absicht und stimmten ihm zu. Schon schien ein neues Gelage zu beginnen; junge Mundschenke eilten, die Kelche zu füllen, aber ehe noch die Zügellosen zu trinken begannen, erhob Odysseus seine Stimme. »Lasst es mich einmal versuchen, ihr Lieben«, sprach er, »ich möchte doch sehen, ob die alte Jugendkraft auch noch heute meine Glieder belebt!«
    Wie Odysseus vorausgesagt hatte, erhob sich ein Sturm der Empörung. Am lautesten von allen schrie Antinoos. »Der Lumpenkerl ist schon am frühen Morgen betrunken, dass er es wagt, uns gleichzutun!«, rief er, doch Penelope gebot mit einer herrischen Handbewegung Ruhe und sprach: »Lasst den Fremdling doch seine Kraft versuchen; ich habe ihm gewährt, am Tisch zu sitzen und zu zechen, da will ich ihm auch gestatten, den Bogen zur Hand zu nehmen! Ihr braucht keine Sorge zu haben, dass ich diesen Bettler statt eines der Euren zum Gemahl nehmen würde, wenn er den Bogen zu spannen und den Pfeil durch die Ösen zu jagen vermag. Er selbst wird wohl einsehen, dass das un möglich ist. Besteht er die Probe,will ich ihm ein fürstliches Geschenk zur Belohnung geben und ihn dann bitten weiterzuziehen.«
    Da lachten die Freier und hatten ihren Spaß an der Sache, und Telemach winkte Eumaios, dem Bettler den Bogen zu überreichen, und sprach: »Der Bogen gehört meinem Vater, und kein andrer als ich werde bestimmen, wer ihn anrührt; auch du, liebe Mutter, hast dazu kein Recht. Was hier weiter geschehn wird, ist Manneswerk; drum geh du auf deine Kammer und verlasse sie nicht, ehe wir nach dir rufen! Du aber, edler Eumaios, übergib dem Fremden den Bogen!«
    Penelope ging, stolz ob der Umsicht und Würde, mit der ihr Sohn gesprochen hatte, auf ihre Kammer; Eumaios jedoch trug, sosehr Antinoos, der Unheil witterte, auch murrte und schalt, den Bogen zu Odysseus. Dann folgte er Penelope in das Obergeschoss und befahl der Schaffnerin, das Hinterhaus wohl zu verriegeln und die Mägde streng zur Arbeit anzuhalten; Philoitios verschloss indes das Hoftor und sicherte es mit einem starken Seil. Odysseus aber war zur Tafelmitte getreten und hatte sich auf einem Sessel vor den Äxten niedergelassen; er nahm den Bogen zur Hand und drehte und wendete ihn hin und her und klopfte das Holz ab, ob es etwa vom Wurm befallen sei, und den Freiern kam eine böse Ahnung an, als sie den Bettler so waffenkundig hantieren sahen. »Ans Werk denn«, sprach Odysseus und zupfte die Saite, und sie klang hell wie ein Schwalbenschrei, und der Donner des Götterkönigs dröhnte wieder vom hellen wolkenlosen Himmel, und Odysseus legte den Pfeil in die Kerbe und spannte den Bogen und krümmte das Holz wie ein Pflugjoch zusammen, dann ließ er die Sehne schwirren, und der Pfeil stürmte wie ein Blitz durch die zwölf Ösen, ohne ein einziges Mal das Metall zu streifen, und fuhr noch tief in die gegenüberliegende Wand.
    Die Freier erstarrten; Odysseus aber winkte Telemach mit den Augen, und Telemach fasste Lanzen und Schwerter und Schilde und eilte zur Mitte der Tafel und stand nun gewappnet neben seinem Vater, der in der Hand den Bogen hielt.

Der Kampf
    Odysseus warf seine Lumpen ab, packte Köcher und Bogen und eilte zum Tor, auf dessen Schwelle er einen Tag lang bettelnd gelegen hatte und das er nun mit seinem Leib den Freiern verschloss. »Der Wettkampf ist gewonnen, nun mag der eigentliche Kampf beginnen«, rief er, »das erste Ziel war ein Nichts, das zweite wird meinem Bogen würdiger sein! Gebe Apollon, dass ich es nicht verfehle!« Mit diesen Worten schoss er dem Antinoos, der gerade seinen Becher zum Munde führte, einen Pfeil durch die Kehle; der Becher klirrte auf den Boden;Antinoos stürzte seitwärts vom Stuhl, sein Blut schoss in hohem Strahl aus der Wunde, und die Freier sprangen wie grimmige Löwen von ihren Sitzen auf. Sie wollten Speere und Schilde von den Wänden reißen, aber sie fanden sie nicht mehr. Noch glaubten sie an einen unglücklichen Zufall und begannen, da sie der Pfeile und Lanzen ermangelten, drohende Reden gegen den Schützen zu schleudern; der aber reckte sich auf der Schwelle und spannte erneut den Bogen und rief: »Ah, ihr Hunde, ihr habt wohl gewähnt, ich werde nie mehr in die Heimat zurückkehren, und ihr könntet straflos Schande und Schmach auf mein Haus und mein Königreich häufen! Aber nun bin ich doch gekommen, und nun will ich das Fest meiner Rache feiern!

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