Irrsinn
hallte, drehte Billy das kalte Wasser auf, um den Whiskeygeruch aus dem Becken zu spülen. Er ließ das Wasser laufen.
In der Stille, die folgte, schraubte er die Flasche zu und stellte sie in den Schrank zurück.
Dann trat er wieder ans Spülbecken und drehte das Wasser ab, während es zum zweiten Mal klopfte.
Hätte er schon beim ersten Klopfen aufgemacht, so hätte er womöglich den Anschein erweckt, nervös zu sein. Auf ein drittes Klopfen zu warten, hätte so ausgesehen, als wollte er überhaupt nicht aufmachen.
Während er durchs Wohnzimmer ging, dachte er daran, seine Hände zu untersuchen. Er sah keine Spur Blut.
28
Als Billy Wiles die Haustür aufmachte, sah er einen Unifo r mierten davorstehen, allerdings seitlich versetzt und in einer sicheren Entfernung von drei Schritten. Die rechte Hand des Cops lag auf der in einem Holster steckenden Pistole, nicht so, als wäre er bereit zu ziehen, sondern so harmlos wie bei jemand, der eine Hand in die Hüfte stützt.
Billy hatte gehofft, er würde ihn kennen. Leider war das nicht der Fall.
Zum Dienstabzeichen des Beamten gehörte ein Namensschild: SGT . V. NAPOLITINO .
Mit seinen sechsundvierzig Jahren hatte Lanny Olsen immer noch denselben Rang bekleidet, den er als junger Mann bei seinem Diensteintritt bekommen hatte: Deputy.
Obwohl V. Napolitino allem Anschein nach erst Anfang zwanzig war, hatte man ihn bereits zum Sergeant befördert. Er machte den Eindruck eines gepflegten, scharfsichtigen, intell i genten und sorgfältigen Beamten, der es mit fünfundzwanzig zum Lieutenant, mit dreißig zum Captain, mit fünfunddreißig zum Commander und noch vor dem vierzigsten Geburtstag zum Polizeichef schaffen würde.
Billy hätte es lieber mit einem fetten, zerknitterten, müden und zynischen Vertreter seines Berufs zu tun gehabt. Wahrscheinlich war dies einer jener Tage, an denen man sich vom Spieltisch fernhalten sollte, weil die Kugel bei jeder Wette auf eine schwarze Zahl unweigerlich auf eine rote rollte.
»Mr. Wiles?«
»Der bin ich.«
»William Wiles?«
»Ja. Man nennt mich Billy.«
Sergeant Napolitinos Blicke wanderten zwischen Billy und den Wohnzimmerfenstern hin und her.
Das Gesicht des Beamten blieb ausdruckslos. In seinen Augen war weder Besorgnis noch Unruhe zu erkennen, ja noch nicht einmal Vorsicht. Nur wachsam waren sie.
»Mr. Wiles, würden Sie bitte mit mir zu meinem Wagen kommen?«
Der Streifenwagen stand in der Einfahrt.
»Wollen Sie nicht reinkommen?«, fragte Billy.
»Nicht unbedingt, Sir. Kommen Sie doch einfach für ein paar Minuten mit zum Wagen, ja?«
Das klang fast wie eine Bitte, war es jedoch nicht.
»Klar«, sagte Billy. »Gern.«
Ein zweiter Streifenwagen bog von der Landstraße in die Einfahrt ein und hielt drei Meter hinter dem ersten.
Als Billy nach dem Türknauf griff, um die Haustür hinter sich zuzuziehen, sagte Sergeant Napolitino: »Wie wär’s, wenn Sie die Tür einfach offen lassen, Sir.«
Sein Tonfall drückte weder eine Frage noch einen Vorschlag aus. Billy gehorchte.
Napolitino erwartete eindeutig von ihm, dass er vorausging-Billy trat über die Whiskeyflasche und die kleine Pfütze auf dem Boden.
Obwohl die Pfütze schon mindestens eine Viertelstunde alt war, war sie in der Hitze erst zur Hälfte verdunstet. In der stillen Luft stank es auf der Veranda unverkennbar nach Whiskey.
Billy ging die Stufen hinunter auf den Rasen. Dabei tat er erst gar nicht so, als wäre er wacklig auf den Beinen. Er konnte nicht gut genug schauspielern, um einen Betrunkenen zu mimen, und jeder Versuch, das zu tun, hätte seine Aufrichtigkeit in Zweifel gezogen.
Es war besser, sich auf seinen alkoholgetränkten Atem zu verlassen, um der Geschichte, die er vorbringen wollte, Glau b würdigkeit zu verleihen.
Als der Fahrer des zweiten Streifenwagens ausstieg, erkannte Billy ihn. Sam Sobieski. Der war ebenfalls Sergeant und etwa fünf Jahre älter als Sergeant Napolitino, Sobieski suchte gelegentlich die Kneipe auf, meist in weiblicher Begleitung. Er kam eher zum Essen als zum Trinken; zwei Glas Bier waren sein Limit.
Billy kannte ihn nicht besonders gut. Befreundet war er mit ihm erst recht nicht, aber ihn überhaupt zu kennen war besser, als es gleich mit zwei Fremden zu tun zu haben.
Auf dem Rasen angelangt, drehte Billy sich zum Haus um.
Napolitino befand sich immer noch auf der Veranda. Er schaf f te es, zur Treppe und die Stufen hinabzugehen, ohne der offenen Tür und den Fenstern ganz den Rücken
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