Irrweg Grundeinkommen
hinausgehende Verteilungsfragen dauerhaft zu unterbinden und so dem eigentlichen Ziel des Liberalismus näher zu kommen, den »Tüchtigen« zukommen zu lassen, was sie am Markt erringen. Und es schafft auf der linken Seite die Illusion, die Armut erfolgreich zu bekämpfen und zugleich die ökologische Frage und die Frage nach den »wahren Werten« des Lebens sinnvoll zu beantworten.
Diese große Koalition der Grundeinkommensbefürworter unterstellt, dass Verteilungsfragen sozusagen nur das Sahnehäubchen auf dem Kuchen der Marktwirtschaft sind, das man auf die eine oder andere Weise gestalten kann, ohne in den Kuchen selbst einzudringen. Beide Seiten glauben, wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Fragen weitgehend ausklammern und sich auf die Ausgestaltung ihrer jeweiligen Systeme konzentrieren zu können. Das aber ist falsch. Die Art der Verteilung der Einkommen ist entscheidend für das Funktionieren der Wirtschaft, und deswegen sind Verteilungsfragen zutiefst und zuerst wirtschafts politische Fragen und können nicht befriedigend beantwortet werden, ohne sie in den Kontext einer erfolgversprechenden wirtschaftspolitischen Konzeption zu stellen.
Das genau will dieses Buch versuchen. Nur wenn verstanden wird, dass Verteilungsfragen und Verteilungskonzepte in eine wirtschaftspolitische Position eingebettet sein müssen, die auf einem realistischen Modell der Funktionsweise einer Marktwirtschaftberuht, kann man diese Fragen angemessen diskutieren und fruchtbare Ergebnisse erwarten. Genau dieser Frage, ob es mit der Funktionsweise einer Marktwirtschaft kompatibel ist, muss sich das Grundeinkommen, in welcher Variante auch immer, stellen. Das ist bisher nicht in überzeugender Weise geschehen, und wir wollen es hier zum ersten Mal versuchen. Dass ein Konzept wie das bedingungslose Grundeinkommen dabei schlecht abschneidet, ist nicht verwunderlich, weil hier in eklatanter Weise die Ziele des Konzepts die Diskussion dominieren, während die Frage der Einordnung des Konzepts in eine Theorie und eine Politik der wirtschaftlichen Entwicklung nur am Rande oder gar nicht diskutiert wird. Wir wollen die Diskussion über solche Konzepte aber keinesfalls abwürgen. Der Mindestlohn und eine negative Einkommensteuer zur sinnvollen Zusammenführung von Steuer- und Transfersystem sind absolut diskussionswürdig. Aber auch diese Ansätze dürfen nicht isoliert von der großen Frage betrachtet werden, welche Verteilung der Einkommen benötigt wird, damit eine auf Arbeitsteilung aufbauende Wirtschaft die Herausforderungen der Zukunft einschließlich der Frage des Überlebens der Menschheit auf einem begrenzten Planeten bewältigen kann.
1 Warum Grundeinkommen?
Drei Grundpositionen stehen beim Thema Grundeinkommen im Wettstreit miteinander: zum einen die neoliberale, die möglichst wenig Eingriffe des Staates in die Einkommensverteilung für richtig hält und das bedingungslose Grundeinkommen ablehnt; zum anderen die der Befürworter von Umverteilung durch den Staat, die das derzeitige Umverteilungssystem in Richtung höherer Gleichverteilung reformieren, aber nicht gänzlich umkrempeln will; und drittens die, die mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens eine Art dritten Weg jenseits von möglichst unangetasteter Primärverteilung und starker Umverteilung beschreiten möchte. Wir stellen dagegen eine neue Position vor, die vor allem bei der Primärverteilung ansetzt.
Der Staat als Nachtwächter der Einkommensverteilung?
Die neoliberale Argumentation zur Einkommensverteilung in einer nach marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten produzierenden Gesellschaft basiert auf der Annahme, dass Einkommen zunächst relativ isoliert vom Staat an Märkten erzielt werden, also Marktergebnisse darstellen. Man spricht von Primäreinkommen. Die Preise an den Märkten wiederum sind das Ergebnis von Knappheit, wenn ein hinreichend starker Wettbewerb zwischen allen Marktteilnehmern herrscht. Durch den Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage werden die richtigen Anreize dafür gesetzt, dass Knappheitenbeseitigt werden und ein den Wohlstand fördernder Strukturwandel stattfindet. Wo der Wettbewerb unzureichend ist (zum Beispiel bei kartellartigen Strukturen) oder gar fehlt (zum Beispiel bei natürlichen Monopolen), muss er ordnungspolitisch hergestellt werden oder müssen die Preise in dem Sinn kontrolliert werden, dass Wettbewerb sozusagen simuliert wird. Jeder darüber hinausgehende Eingriff in die Primärverteilung durch
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