Irrweg Grundeinkommen
Kriterien, vor allem das Kriterium einer existenzsichernden Höhe, nur teilweise erfüllen, werden zu der Kategorie »partielles Grundeinkommen« zusammengefasst.
Von diesen Modellen klar zu unterscheiden sind solche, bei denen weiterhin eine Überprüfung der Bedürftigkeit für den Leistungsbezug vorgesehen ist. Diese Gruppe umfasst das gegenwärtige System der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe sowie die Modelle, die dieses System nur in Teilen modifizieren. Dazu gehören auch das Modell »Grüne Grundsicherung« von Bündnis 90/Die Grünen und die negative Einkommensteuer von Joachim Mitschke. 4
Im Folgenden konzentrieren wir unsere Darstellung auf drei Ansätze, die die oben genannten Kriterien weitgehend erfüllen und die entweder im Vordergrund der öffentlichen Diskussion stehen (das Modell von Götz Werner und das solidarische Bürgergeld nach Dieter Althaus) oder am weitesten bezüglich der Finanzierung und der sozialen Sicherungssysteme ausmodelliert sind (das emanzipatorische Grundeinkommen).
Keine der großen politischen Parteien hat bisher ein umfassendes Grundeinkommenskonzept in den Katalog ihrer parteipolitischen Ziele aufgenommen. Vorschläge dieser Art sind sowohl bei Bündnis 90/Die Grünen als auch bei der Linken auf Bundeskongressen mehrheitlich abgelehnt worden. Die Konzepte, die diese Parteien (einschließlich der FDP) im Bereich der Grundsicherung vertreten, beschränken sich – bis auf Einzelmaßnahmen wie das Kindergrundeinkommen bei Bündnis 90/Die Grünen – auf Modifikationen des bestehenden Grundsicherungssystems.
Bei der Bewertung und Einschätzung der folgenden Ausführungen ist zu beachten: Mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle Bürger werden sowohl das gegenwärtig geltende soziale Sicherungssystem als auch das Steuer- und Abgabensystem grundlegend verändert. Die Befreiung von Gegenleistungen betrifft einerseits die Verpflichtung zu (zumutbarer) Arbeit und andererseits – in einigen Modellen – die bisherige Kopplung des Leistungsbezuges beziehungsweise der Höhe von Leistungen an die vorherige Zahlung von Beiträgen oder die Bedürftigkeit. Außerdem werden bestehende Abgabenlasten strukturell verändert und – je nach Erwerbsbeteiligung und Einkommenshöhe – teilweise im Vergleich zum Status quo deutlich erhöht. Es ist davon auszugehen, dass die Zahlung eines bedingungslosen Grundeinkommens, dessen Höhe existenzsichernd sein soll und folglich die materielle Sicherung ohne Erwerbsarbeit ermöglicht, ebenso wie die veränderten Abgabenbelastungen erwirtschafteter Erwerbseinkommen das Verhalten der Menschen in vielerlei Hinsicht verändern können. Auswirkungen auf die Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme, das Anstreben bestimmter Einkommenshöhen, auf Bildungsambitionen, weitere Absicherungsmaßnahmen und auf das Konsumverhalten sowie die Familienplanung sind zu erwarten.
Daher sind Abschätzungen zur Finanzierbarkeit von Grundeinkommensmodellen schwierig. Zunächst geht man zwar von den gegenwärtigen Gegebenheiten wie etwa dem aktuellen Volkseinkommen aus, um etwa die zur Finanzierung des Grundeinkommens notwendigen Steuersätze zu berechnen. Es ist allerdings fraglich, ob diese Bemessungsgrundlagen in einer neuen »Grundeinkommenswelt« in gleicher Höhe und Struktur weiterbestehen werden. Wahrscheinlicher ist, dass sich hier – möglicherweise sogar erhebliche – Abweichungen ergeben würden. Somit sind die hier vorgenommenen Berechnungen und Vergleiche mit Anleihen am gegenwärtigen Status quo unter dem Vorbehalt zu sehen, dass die wirtschaftliche Entwicklung genau wegen des Systemwechsels doch ganz anders kommen könnte. Dieser spezifische Unsicherheitsfaktorkommt zur Problematik der allgemeinen Unsicherheit von Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung noch hinzu.
Jede auf dem Status quo basierende Abschätzung enthält somit die implizite Wertung: »So anders ist die neue Welt nicht.« Treten mit der Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens jedoch gravierende Verhaltensänderungen ein (wofür vieles spricht, wie noch zu zeigen sein wird), reduziert sich die Aussagekraft der rein rechnerisch korrekten Ableitungen erheblich.
Das Modell von Götz Werner
In der Öffentlichkeit dürfte das Modell von Götz Werner zum bedingungslosen Grundeinkommen das bekannteste sein. 5 Es besticht durch seine Einfachheit (vgl. Abbildung 1). Bisher lässt sich die Idee in zwei Kernpunkten zusammenfassen:
1. Es wird
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