Irrweg Grundeinkommen
den Staat zum Beispiel mittels Steuern, Abgaben, Subventionen und Transfers verzerrt die knappheitsgerechten Preise und ist daher kritisch zu hinterfragen.
Für die Bereitstellung öffentlicher Güter (öffentliche Verwaltung, Sicherheit, Bildung, Infrastruktur etc.) muss der Staat zwar Einnahmen erzielen, also Steuern und Abgaben erheben. Und für bestimmte sozialpolitische Aufgaben (Arbeitslosen-, Unfall-, Kranken- und Rentenversicherung etc.) benötigt er ebenfalls Ressourcen, die seine Bürger erwirtschaftet haben. Aber insgesamt dürfen Mittelentzug und Mittelvergabe nicht zu umfangreich sein. Denn beide können die Preise als Knappheitssignale beeinträchtigen und Fehlanreize setzen, je nachdem, an welcher Stelle Mittelentzug und Mittelvergabe stattfinden. Hohe Lohnnebenkosten zum Beispiel verteuern den Faktor Arbeit und verringern auf diese Weise die Nachfrage nach Arbeitskräften. Zu großzügig gewährte Transfers oder Subventionen senken die Leistungsanreize für Transfer- und Subventionsempfänger, zu hohe Steuern und Abgaben wiederum verringern die Leistungsbereitschaft der Zahler. In diesem Zusammenhang werden sinkende Arbeitsteilung (Stichwort »Boom der Heimwerkermärkte«) und damit verbundene Produktivitätsverluste bis hin zu Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung beklagt.
Das allerdings zeigt: Die durch den Staat vorgenommene Umverteilung nimmt bereits auf die Entstehung der Primäreinkommen und deren Verteilung Einfluss. Weil das so ist, fordert die neoliberale Position die Minimierung staatlicher Eingriffe, da sonst das Wachstumspotential verringert würde und der langfristige Wohlstand der Gesellschaft in Gefahr sei. Das gelte insbesonderein Zeiten der Globalisierung, in denen der internationale Konkurrenzdruck zugenommen habe. Das vor Jahrzehnten noch einigermaßen tragbare Wohlfahrtsstaatsmodell müsse den neuen Gegebenheiten angepasst werden, indem die Umverteilung auf das absolut notwendige Minimum begrenzt werde.
Reparatur der Verteilung durch Sekundärverteilung?
Die zunehmende Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung und die reale Schlechterstellung der untersten Einkommensgruppen im Verlauf der letzten zehn bis 20 Jahre haben die Kritik an der neoliberalen Position lauter werden lassen. Wenn immer weniger Menschen an den Wohlstandsgewinnen einer wachsenden Wirtschaft teilhaben, dient die Marktwirtschaft offenbar nur den oberen oder obersten Einkommensschichten, so der Vorwurf. Und das sei in einer auf demokratischen Strukturen aufbauenden Gesellschaft nicht hinnehmbar. Warum sollten die Bürger unterer Einkommensschichten das Wirtschaftssystem eines Landes mittragen, wenn sie sich im Vergleich zur Oberschicht laufend schlechtergestellt sehen? Dabei sei nicht einmal der dauernde Verlust in der relativen Einkommensposition das Schlimmste, sondern die absolute Verschlechterung der Realeinkommen in den unteren Einkommensschichten. Ein System, das auf Dauer nur den einen nützt und den anderen schadet , könne sich nicht glaubwürdig auf das demokratische Prinzip »one man one vote« stützen.
Die von den Neoliberalen üblicherweise mitgelieferte Erklärung, die Entwicklung der Primäreinkommen sei vor allem der Globalisierung geschuldet, helfe den Schlechtergestellten hierzulande nicht weiter, sondern verstärke Gefühle der Unsicherheit und Bedrohung, die letzten Endes Fremdenfeindlichkeit und eine Art Wagenburgmentalität förderten. Freihandel und Freizügigkeit würden nicht als Voraussetzung für steigenden Wohlstand erfahren, sondern als Einfallstor für sozialen Abstieg.
Dieser Situation versuchen diejenigen zu begegnen, die für eine deutliche Korrektur der Einkommensverteilung durch den Staat eintreten. Eine wieder zunehmende Umverteilung der Markteinkommen und Vermögen von oben nach unten, also eine »gleichere« Sekundärverteilung soll die entstandene Schieflage in der Primäreinkommensverteilung beseitigen helfen. Selbst wenn Umverteilung Wachstumseinbußen mit sich bringen sollte, müsse die Demokratie in Form des Wohlergehens vieler im Rang über der maximal möglichen Steigerung des Gesamtergebnisses des Marktes stehen, so die Überlegung. Eine schlüssige Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung, wie sie die Neoliberalen sehen, bleiben die Befürworter verbesserter Sekundärverteilung allerdings zumeist schuldig.
So stehen sich beide Positionen unversöhnlich gegenüber. Die Neoliberalen kritisieren an denjenigen, die für Umverteilung
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