Irrweg Grundeinkommen
plädieren, sie verstünden nichts von Wirtschaft, machten den Leistungseliten das Leben schwer, wollten die Veränderungen durch die Globalisierung nicht wahrhaben und stattdessen den Dornröschenschlaf des Wohlfahrtsstaates aus den 1970er Jahren weiterschlafen. Die Umverteilungsbefürworter werfen den Neoliberalen Egoismus, mangelndes Demokratieverständnis und politische Kurzsichtigkeit vor.
Grundeinkommen als Verteilungsersatz?
In dieser Kontroverse treten die Befürworter des Grundeinkommens dafür ein, jedem Bürger eine menschenwürdige und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigende Grundversorgung durch das Grundeinkommen zu garantieren, unabhängig von seiner Bedürftigkeit und unabhängig von seiner Teilnahme am Produktionsprozess durch Erwerbsarbeit. Keiner müsse mehr aus Angst um seine nackte Existenz menschenunwürdige Arbeitsbedingungen akzeptieren, vielmehr stehe es jedem frei, prekäre Arbeitsverhältnisse und Niedriglöhne abzulehnen. Finanziert werden könne das Grundeinkommenje nach Modell durch Verbrauchsteuern 1 , Einkommensteuern, Lohnsummensteuern und diverse andere Abgaben und Steuern. 2
Der vermeintliche Hauptunterschied zur neoliberalen und zur Position der verbesserten Sekundärverteilung besteht beim Grundeinkommen darin, dass eine Art dritter Weg suggeriert wird: Es könne sozusagen unabhängig von der an den Märkten erzielten (Primär-)Einkommensverteilung eine positive materielle Ausgangsposition für alle Mitglieder der Gesellschaft geschaffen werden. Zwar müssten natürlich auch hier die Mittel dafür aus dem Produktionsprozess stammen – woher sonst? –, aber sie würden ihm – zumindest in der Grundeinkommensvariante von Götz Werner – nicht nach der Leistungsfähigkeit der Bürger entzogen und in vielen Modellen würden sie nicht gemäß der Bedürftigkeit der Bürger verteilt. Wie hoch das Grundeinkommen sein solle, sei eine politische Entscheidung und damit Sache der gesellschaftlichen Mehrheit. Diese Legitimierung schaffe Ausgleich zwischen den (ungleichen) Ergebnissen der Marktwirtschaft und den Anforderungen an menschenwürdige Existenzbedingungen und Gleichheit in einer Demokratie.
Eine neue Position
Die Frage nach den Spielregeln, unter denen die Primärverteilung gegenwärtig und nach einem Systemwechsel dann zukünftig zustande kommt, wird allerdings weder von den Befürwortern des Grundeinkommens noch von denen ernsthaft gestellt, die auf die herkömmliche, zu verstärkende Sekundärumverteilung von oben nach unten setzen. Von den Neoliberalen hingegen wird diese Frage gestellt, aber – wie zu zeigen sein wird – falsch beantwortet. Hier liegt unserer Ansicht nach der Kern der zu führenden Auseinandersetzung. Denn wenn man die momentanen Ergebnisse der primären Einkommensverteilung für ungerecht, unsozial und die Gesellschaft schädigend ansieht – wie das die Autoren dieses Buches tun –, muss man sich zuerst mit der Frageauseinandersetzen, inwieweit sie systembedingt sind. Gehören zunehmende Ungleichheit und Verarmung der unteren Einkommensschichten auf Dauer und unter den Bedingungen der Globalisierung unvermeidlich zum Marktmechanismus dazu?
Wenn ja – davon sind die Neoliberalen überzeugt –, muss die Frage gestellt und beantwortet werden, ob die Marktwirtschaft heute und vor allem in Zukunft noch mit einer demokratischen Gesellschaftsordnung in Einklang zu bringen ist. Denn wenn die Reparaturversuche der sozialen Schäden, die die Marktwirtschaft dann offenbar systematisch anrichtet, mittels der Sekundärverteilungsmöglichkeiten des Staates das System Marktwirtschaft selbst wiederum schädigen oder zumindest beeinträchtigen (wie das die Neoliberalen meinen), scheinen sich die Anforderungen des Wirtschaftssystems und die des politischen Systems logisch zu widersprechen. Dann wäre der Kampf gegen Armut und gesellschaftliche Spaltung innerhalb eines marktwirtschaftlichen Systems letzten Endes zum Scheitern verurteilt. Die Suche nach einem anderen politischen System, in dem sich ökonomische Ungleichheit und politische Teilhabe entsprechen (etwa in einem Ständestaat mit Klassenwahlrecht), wäre dann aufrichtiger als das Hinauszögern des Unabänderlichen, indem man die Sozialversicherungssysteme lieber dahinsiechen lässt, statt sie ganz abzuschaffen, oder indem man das Steuersystem nur nach und nach zu einer Umverteilungsmaschinerie von unten nach oben abändert, statt es sofort und offen zugunsten der Oberschicht auszugestalten. Man kann
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