Irrwege
Handgelenke
des alten Mannes, um sich zu befreien, doch Xar hatte die größere Kraft. Seine
Magie war unbeeinträchtigt. Die blauen Runen flammten auf, Samah stöhnte
gequält und riß die Hände zurück, als hätte er glühende Kohlen berührt.
Xars dünne Finger gruben sich schmerzhaft in die
Wangen des Archonten.
»Wo ist das Siebente Tor?«
Samah starrte ihn bestürzt an, und es erfüllte
Xar mit heißer Freude, endlich Furcht in den Augen des Sartan zu lesen.
»Wo ist das Siebente Tor?« Er verstärkte den
Druck seiner Finger.
»Ich weiß nicht – wovon du sprichst.« Samah
konnte nur undeutlich sprechen.
»Wie mich das freut«, sagte Xar liebenswürdig.
»Denn jetzt werde ich das Vergnügen haben, dich gefügig zu machen. Und du wirst mir antworten.«
Samah gelang es, den Kopf zu schütteln. »Vorher
sterbe ich!« stöhnte er.
»Ja, das könnte sein«, stimmte Xar ihm zu. »Und dann wirst du mir antworten. Dein Kadaver wird mir antworten. Ich habe diese
Kunst gelernt, muß du wissen. Die Kunst, deretwegen du hergekommen bist. Nun
kannst du sie am eigenen Leib erproben, doch viel Nutzen dürftest du nicht
mehr davon haben.«
Xar gab Samah frei und wischte sich die Hände an
seinem Gewand trocken. Er spürte, wie das Meerwasser seine Runenmagie
schwächte. Müde drehte er sich um und verließ die Zelle, hinter ihm
materialisierten sich die Gitterstäbe erneut.
»Mein einziger Kummer ist, daß ich die Kraft
nicht erübrigen kann, dich selbst zu belehren. Doch es wartet jemand auf das
Vergnügen, der wie ich ebenfalls nach Rache dürstet. Du kennst ihn, glaube ich.
Er war beteiligt an deiner Gefangennahme.«
Samah sprang auf. Seine Hände krampften sich um
die Stäbe des Zellengitters. »Ich hatte unrecht! Mein Volk hatte unrecht! Ich
gebe es zu. Was können wir als Entschuldigung anführen, außer vielleicht, daß
auch wir eine Ahnung davon haben, was es heißt, in Furcht zu leben. Ich begreife
jetzt. Alfred, Orla… Orla.« Samah schloß in tiefer Verzweiflung die Augen und
stöhnte. »Orla hatte recht.«
Er suchte Xars Blick und hielt ihn fest. »Aber
wir haben einen gemeinsamen Feind. Einen Feind, der uns alle vernichten will.
Unser beider Völker und die Nichtigen!«
»Was für ein Feind soll das sein?« Xar hatte
Vergnügen daran, mit seinem Opfer zu spielen.
»Die Drachenschlangen! Oder welche Gestalt sie
gerade angenommen haben. Und sie können sich nach Belieben verwandeln, Xar,
deshalb sind sie so gefährlich, so mächtig. Dieser Sang-drax. Derjenige, der
mich gefangengenommen hat. Er ist einer von ihnen.«
»Ja, ich weiß«, nickte Xar. »Er ist mir sehr
nützlich.«
»Du bist es, der benutzt wird!« schrie
Samah erregt. Er stockte, bemühte sich verzweifelt, Argumente zu finden, um
seinen Peiniger zu überzeugen. »Einer deiner Vasallen muß dich gewarnt haben.
Der junge Mann, der in deinem Auftrag nach Chelestra kam. Er hat die Wahrheit
über die Drachenschlangen herausgefunden. Er versuchte mich zu warnen, aber ich
hörte nicht auf ihn. Ich glaubte ihm nicht. Er und Alfred… Haplo! So nannte er
sich. Haplo.«
»Was weißt du über Haplo?« fragte Xar mit
gesenkter Stimme.
»Er entdeckte die Wahrheit«, wiederholte Samah
grimmig. »Er versuchte, mir die Augen zu öffnen. Erst recht muß er dir davon
berichtet haben, seinem Herrn.«
Das also ist der Dank, dachte Xar bitte. So
dankst du es mir, daß ich dein Leben gerettet habe, mein Sohn. Mit Verrat.
Laut sagte er: »Dein Plan ist fehlgeschlagen,
Samah. Dein Versuch, meinen treuen Diener abtrünnig zu machen, ist mißglückt.
Haplo hat mir alles gesagt, hat alles zugegeben.
Nun antworte auf meine Frage: Wo ist das
Siebente Tor?«
»Offenbar hat Haplo dir doch nicht alles
erzählt.« Samah verzog spöttisch den Mund. »Andernfalls wüßtest du es. Er war
dort. Er und Alfred, wenigstens glaubte ich das aus einigen Dingen schließen zu
können, die Alfred sagte. Es scheint, dein Haplo vertraut dir nicht mehr als
mein Alfred mir. Ich frage mich, was wir falsch gemacht haben…«
Xar fühlte sich getroffen, auch wenn er es nicht
zeigte. Wieder Haplo! Haplo weiß es. Und ich nicht! Er hintergeht mich!
»Das Siebente Tor«, wiederholte Xar, als hätte
er nichts gehört.
»Du bist ein Narr!« meinte Samah resigniert. Er
ließ die Gitterstäbe los und sank wieder auf die Steinbank. »Ein Narr. Keinen
Deut besser als ich. Du verurteilst dein Volk zum Untergang.« Er barg den Kopf
in
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