Irrwege
auferweckt. Er wußte, was die Lebenden den
Toten angetan hatten. Er verstand unsere Mission. Erst wenn die Lebenden alle
tot sind, sind die Toten frei. Er schwor, uns gegen sein Volk zu führen. Wir
machten uns bereit. Aber dann trat aus unseren Reihen einer vor – der Gemahl
eben dieser Jera. Er ist ein Lazar. Seine Frau ermordete ihn, weckte ihn auf,
verlieh ihm die Macht, die uns zu Gebote steht. Doch er verriet uns. Von
irgendwoher war ihm eine andere Kraft zugeflossen. Er verfügt über die Gabe
des Todes, wie der andere Sartan, der durch das Todestor den Weg in unsere Welt
fand…«
»Wer war er?« frage Xar mit neu erwachtem
Interesse.
»Ich weiß nicht. Er war ein Sartan, doch er trug
einen Nichtigennamen.« Kleitus wirkte verärgert über die Unterbrechung.
»Alfred?«
»Vielleicht. Welchen Unterschied macht es?«
Kleitus schien von dem Wunsch besessen zu sein, seine Geschichte zu erzählen.
»Jeras Gemahl löste den Zauber, der den Leichnam des Prinzen bannte. Der Tod
gewann Macht über ihn. Das Gefängnis seines Fleisches zerfiel. Die Seele war
frei.« Die letzten Worte waren von Bitternis begleitet.
»… war frei.« Das Echo klang kummervoll und sehnsüchtig.
Xar verlor die Geduld. Gabe des Todes.
Sartan-Unfug.
»Was wurde aus Baltasar und seinem Volk?«
verlangte er zu wissen.
»Sie entkamen«, zischte Kleitus. Seine
wächsernen Hände ballten sich zu Fäusten. »Wir wollten ihnen nach, aber Jeras
Gemahl war zu stark. Er gebot uns Einhalt.«
»Dann leben also tatsächlich noch Sartan in Abarrach.«
Xar trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Sartan, die mir als
Studienobjekte dienen könnten, für meine Experimente. Wandelnde Tote für meine
Armee. Hast du eine Vorstellung davon, wo sie zu finden sein könnten?«
»Wüßten wir es, so würden sie nicht mehr leben«,
antwortete Kleitus; er fixierte Xar mit lauerndem Haß. »Was meinst du, Fürst
des Nexus?«
»Wahrscheinlich nicht. Aber dieser Gemahl von
Jera. Wo steckt er? Bestimmt weiß er, wo sich die Sartan verkrochen haben?«
»Ich weiß nicht, wohin er gegangen ist. Er hielt
sich in Nekropolis auf, bis zu deiner Ankunft und der deiner Truppen. Er
hinderte uns daran, die Stadt zu betreten.
Hinderte mich daran, in meinen Palast
zurückzukehren. Dann kamst du, und er verschwand.«
»Aus Furcht vor mir, ohne Zweifel«, meinte Xar
leichthin.
»Er fürchtet nichts und niemanden, Fürst des
Nexus!«
Kleitus stieß ein gehässiges Lachen aus. »Er ist
derjenige, von dem die Prophezeiung spricht.«
»Ich hörte von einer Prophezeiung.« Xar winkte
geringschätzig ab. »Haplo berichtete davon. Seine Ansichten über solche Dinge
sind allerdings die gleichen wie meine. Wunschdenken, nichts mehr. Ich messe
ihnen wenig Bedeutung bei.«
»Dieser solltest du Bedeutung beimessen, Patryn.
So lautet die Prophezeiung: ›Er wird Leben bringen den Toten, Hoffnung den Lebenden,
und für ihn wird das Tor sich auftun.‹ Und sie ist wahr geworden.«
»… ist wahr geworden.«
»Ja, sie ist wahr geworden«, wiederholte Xar es
noch einmal. »Ich bin derjenige, der die Prophezeiung erfüllt hat. Von mir ist die Rede, nicht von irgendeinem herumstreunenden Kadaver.«
»Das glaube ich nicht…«
»… glaube ich nicht.«
»Selbstverständlich!« brauste Xar auf. »›Das Tor
wird sich auf tun… ‹ Und hat sich das Tor nicht geöffnet?«
»Das Todestor, ja.«
»Welches andere Tor gibt es noch?« fragte Xar unwillig.
Er wollte das Gespräch wieder auf sein ursprüngliches Anliegen zurückbringen.
»Das Siebente Tor«, antwortete Kleitus.
Diesmal schwieg das Echo. Xar hob irritiert den
Blick.
»Dein Gerede von Armeen, von Eroberung, dem Reisen
von einer Welt zur anderen… Was für eine Verschwendung von Zeit und Mühe.«
Kleitus schenkte ihm ein maskenhaftes Lächeln. »Wenn man doch nichts weiter tun
brauchte, als das Siebente Tor zu betreten.«
»Wirklich?« Xar runzelte die Stirn. »Ich habe in
meinem Leben viele Tore durchschritten. Was ist so besonders an diesem?«
»Es geschah in dieser Kammer – dem Siebenten Tor
–, daß der Rat der Sieben die Teilung der Welt vollzog.«
»… Teilung der Welt vollzog.«
Xar schwieg. Er fühlte sich wie vor den Kopf
geschlagen. Die Implikationen, die Möglichkeiten – falls… Falls Kleitus
die Wahrheit sagte. Falls dieser Ort immer noch existierte…
»Er existiert«, sagte Kleitus.
»Wie ist diese – Kammer?« forschte Xar, um den
Lazar
Weitere Kostenlose Bücher