Irrwege
las laut vor.
»›Und alles wurde vollbracht durch das Siebente
Tor‹. Wie? Was soll das bedeuten, Dynast? Bedeutet es überhaupt etwas? Schwer
zu sagen, ihr Sartan habt so viel Freude daran, mit Worten zu spielen.«
»Ich bin geneigt zu glauben, daß es sehr viel
bedeutet.« Ein Aufflackern von Belustigung verlieh den toten Augen
vorübergehend Leben. »Welche Bedeutung, weiß ich weder, noch kümmert’s mich.«
Kleitus streckte die Hand aus – bläulichweiß,
blutbesprenkelt, mit schwarzen Nägeln –, sprach eine Rune und schlug gegen die
Tür.
Das Patrynsigel zerbrach. Als gäbe es den
Fürsten nicht, verließ Kleitus wortlos das Zimmer.
Xar hätte den Sperrzauber aufrechterhalten
können, doch er wollte seine Energie nicht verschwenden. Wozu? Sollte der
Lazar seiner Wege gehen. Er hatte ihm vorerst nichts weiter zu bieten.
Das Siebente Tor. Die Kammer, in der die Sartan
die Teilung der Welt vollzogen. Wer weiß, ob nicht wenigstens ein Residuum der
starken Magie darin noch vorhanden ist? dachte Xar.
Vorausgesetzt, seine Behauptung stimmt und
Kleitus kennt den Weg zum Siebenten Tor, dann braucht er Haplo nicht als
Führer. Offenbar hat er eigene Pläne mit ihm. Aber welche? Gut, Haplo ist
unserem Freund durch die Finger geschlüpft und dem Blutrausch der Lazare
entkommen, aber kaum vorstellbar, daß Kleitus deswegen einen Groll gegen ihn
hegt. Der Lazar haßt alle lebenden Wesen. Sein Interesse an einer
bestimmten Person muß einen besonderen Grund haben.
Haplo besitzt etwas oder weiß etwas, das Kleitus
haben will. Was? Ich muß Haplo für mich behalten, wenigstens bis ich es
herausgefunden habe…
Xar hob wieder das Buch auf und betrachtete die
Sartanrunen, bis er sie seinem Gedächtnis eingeprägt hatte. Schritte im Gang,
Stimmen, die seinen Namen riefen, störten ihn aus seiner Konzentration auf. Er
erhob sich, ging zur Tür und öffnete. Mehrere Patryn kamen im Laufschritt den
Korridor entlang.
»Was gibt’s?«
»Mylord! Wir haben Euch überall gesucht!« Die
Frau hielt inne, um Atem zu schöpfen.
»Ja?« Ihre Aufregung griff auf ihn über. Patryn
waren diszipliniert, sie pflegten sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen.
»Was bringst du für eine Nachricht, Tochter?«
»Wir haben zwei Gefangene gemacht, Mylord. Sie
fielen uns in die Hände, als sie durch das Todestor kamen.«
»In der Tat! Das sind willkommene Neuigkeiten.
Was…«
»Mylord, hört mich an!« Unter normalen Umständen
hätte kein Patryn gewagt, dem Fürsten ins Wort zu fallen, aber die junge Frau
war zu aufgewühlt, um sich zu beherrschen. »Es sind beides Sartan. Und einer
von ihnen ist…«
»Alfred!« warf Xar ein.
»Der Mann ist Samah, Mylord.«
Samah! Haupt des Rates der Sieben.
Samah. Der lange Jahrhunderte auf Chelestra im
Tiefen Schlaf gelegen hatte.
Samah. Derselbe Samah, der den Untergang der Welten
herbeigeführt hatte.
Samah. Verantwortlich für die Leiden der Patryn
im Labyrinth.
In diesem Moment hätte Xar fast an diese höhere
Macht geglaubt, von der Haplo dauernd faselte. Und ihr gedankt, weil sie ihm
Samah in die Hände gegeben hatte.
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Kapitel 2
Abarrach
Samah in seiner Gewalt – von allen denkbaren
Glücksfällen der unerwartetste und beste. Samah. Der Sartan, von dem der Plan
zur Teilung der Welten stammte. Der Sartan, der seine Landsleute dazu brachte,
den Plan gutzuheißen. Den hohen Blutzoll aus ihren eigenen Reihen und den Tod
Tausender Unschuldiger in Kauf zu nehmen. Die Patryn in die Hölle des
Labyrinths zu verbannen.
»Und«, sagte Xar plötzlich zu sich selbst, und
sein Blick fiel auf das kleine Buch, »der Sartan, der unzweifelhaft den Ort
des Siebenten Tores kennt! Er wird sich aber wahrscheinlich weigern, mir das
Geheimnis zu verraten.« Xar rieb sich die Hände, »Ich werde das unübertreffliche
Vergnügen haben, Samah zum Reden zu zwingen.«
Es gibt Verliese unter dem Palast aus Stein in
Nekropolis. Haplo hatte von ihrer Existenz berichtet – Erfahrung aus erster
Hand, er wäre fast gestorben in den Verliesen von Abarrach.
Xar eilte durch die verwinkelten Gänge, die zu
den unterirdischen Gewölben führten – den Katakomben, wie man sie während der
Herrschaft der Sartan beschönigend nannte.
Welchen Zwecken hatten die Katakomben einmal gedient?
Gefängnisse für die Unzufriedenen unter den Nichtigen? Oder vielleicht hatten
die Sartan sogar versucht, die Nichtigen hier unten einzuquartieren, geschützt
vor der
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