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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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damit rechnen, dass auch die anderen Augen bewacht werden. Bar-Hazzat versteht es Dummheit, Stolz oder Machtsucht in Hörigkeit zu verwandeln. Wer sich ihm ausliefert, der kann jede Kontrolle über den eigenen Willen verlieren. Geh also lieber davon aus, dass er mächtige Geschöpfe zum Schutz seiner Augen auserwählt hat.«
    »Ich werde daran denken«, erwiderte Yonathan geistesabwesend. In seinem Kopf schwirrten die Gedanken wild durcheinander. »Vier Augen wurden mit den Weltwinden ausgesandt«, murmelte er, den Blick zu Boden gesenkt. »Und eines befindet sich im Herzen des Himmelsthrons. Ich glaube, ich weiß, wo sich zumindest einige der Augen befinden.«
    »Dann gibt es nichts mehr, was dich noch länger hier im Garten der Weisheit zurückhalten sollte.«
    Erschrocken hob Yonathan den Kopf.
    »Oder dachtest du, du könntest deine Aufgabe von hier aus lösen?«
    »Nein, natürlich nicht«, gab Yonathan verunsichert zu. »Mir kam nur gerade meine Ausbildung in den Sinn.«
    »Ich fürchte, wir müssen sie vorzeitig abbrechen. Sieben Jahre wären besser gewesen, aber bei deiner Auffassungsgabe sind drei auch nicht schlecht.«
    Yonathan schnappte nach Luft. »Drei statt sieben! Wenn du mir eben Mut machen wolltest, dann ist dir das gründlich misslungen.«
    »›Das Leben ist nicht der schlechteste Lehrmeister ‹, sagt ein altes Sprichwort.« Über Goels Lippen huschte ein geheimnisvolles Lächeln. Dann sprach er sehr ernst weiter: »Ich möchte dir für deine Reise etwas mitgeben.«
    Yonathan sah ihn erwartungsvoll an.
    »Es handelt sich um drei Rosen – allerdings keine gewöhnlichen, natürlich; drei Rosen vom Strauch Aschereis, meiner Lehrmeisterin.«
    »Beziehungsweise Tarikas, wie meine Urgroßmutter auf der Erde hieß«, setzte Yonathan hinzu. »Du hast mir schon einmal zwei dieser geheimnisvollen Blumen anvertraut.«
    Goel nickte. »Sie vergehen nicht, solange ihr rechtmäßiger Besitzer lebt.« Er zog aus einer Falte seines schneeweißen Gewandes eine kleine silberne Klinge hervor, ging zu dem weißen Strauch und schnitt drei langstielige Rosen ab. Wieder zurück bei der Marmorbank reichte er Yonathan die Blumen und sprach dazu die feierliche Formel: »Als Hüter von Aschereis Rosenstock übergebe ich dir diese Blüten. Von nun an sind sie dein, bis du sie aus freiem Willen einem anderen gibst, es sei denn, du stürbest zuvor.« Dann fügte er noch hinzu: »Und jetzt nimm den Stab, und zerstöre sie.«
    »Ich soll was…?« Yonathan hatte es die Sprache verschlagen.
    »Na, zerschlage sie, mach Pulver aus ihnen, Blütenstaub, Rosenöl – was immer dir einfällt.«
    »Aber wie…?«
    »Tu, was ich dir sage.«
    Yonathan seufzte. Er stellte sich neben Goel, legte die Rosen auf die Marmorbank und drehte sich noch einmal zu seinem Lehrmeister um.
    »Beeil dich, das Mittagessen wird kalt.«
    Yonathan bezweifelte den Sinn dieser merkwürdigen Übung, aber er gehorchte. Er konzentrierte seinen Willen auf den Stab, holte weit aus und ließ den goldenen Knauf auf die zarten Rosenblüten niederfahren. Erwartungsgemäß zuckte ein blauer Blitz auf und ein krachender Donner betäubte seine Ohren. Weißer Staub zwang ihn zum Husten.
    Nachdem sich die Wolke gesetzt hatte, blickte er fassungslos auf die drei weißen Rosen, die völlig unversehrt in den Trümmern der Gartenbank lagen.
    Goel drehte sich um und machte sich auf den Rückweg zum Haus der Richter. Über die Schulter rief er Yonathan zu, der immer noch regungslos die Blumen anstarrte: »Willst du mich nicht zum Mittagessen begleiten? Dann könnte ich dir erklären, was geschehen ist; oder besser: was nicht geschehen ist.«
    »Habt ihr versucht, einen Tunnel unter dem Grenznebel hindurchzugraben?«, begrüßte Bithya den ehrwürdigen Richter und seinen Schüler. In ihrer Stimme schwang eine gewisse Schärfe mit. »Ihr seht aus wie zwei Grubenarbeiter. Geht bitte vor die Tür und klopft euch ab. Danach könnt ihr wieder hereinkommen und euch an den Esstisch setzen.«
    »Sie ist schon eine energische Person, meine Urenkelin«, flüsterte Goel vergnügt.
    »Sie ist eine Stachelwortspuckerin!«, knurrte Yonathan zurück. Er erinnerte sich an Bithyas seltsames Verhalten am See.
    »Was hast du gesagt, Yonathan?«
    »Nicht der Rede wert, Bithya. Wir sind gleich zurück.«
    Am Brunnen vor dem Haus schüttelten Goel und Yonathan den Staub aus ihren Gewändern und wuschen sich gründlich genug, um unter den kritischen Augen Bithyas bestehen zu können. Die beiden Richter

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