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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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»Wie könnten wir diesen Tag vergessen, ehrwürdiger Goel? Mich mahntet Ihr damals, das Schwert Bar-Schevet nie zu üblen Zwecken zu gebrauchen. Und meine Bestimmung, wie auch diejenige Geschans, sei es, einst im Thronsaal von Cedanor den Frieden über alle Völker Neschans auszurufen. Was das Schwert betrifft, so glaube ich, mich Eurem Rat würdig erwiesen zu haben, aber der Frieden Neschans scheint mir heute weiter entfernt als je zuvor.«
    »Deswegen sind wir heute hier zusammengerufen worden«, sagte Goel.
    »Einen Moment!«, warf Yonathan ein. »Was heißt ›zusammengerufen‹? Wie kommt es überhaupt, dass ihr beide gerade heute hier eintrefft?«
    »Erinnerst du dich nicht mehr an das, was ich damals zu dir sagte, als wir uns verabschiedeten?«, fragte Felin, und er klang beinahe vorwurfsvoll.
    »Doch. An jedes einzelne Wort«, erwiderte Yonathan. »Seit ich den Stab Haschevet mit mir herumtrage, vergesse ich überhaupt nichts mehr. Du sagtest damals: ›Wenn du mich einmal brauchst, dann werde ich da sein, mein Freund. Verlass dich darauf.‹ – Aber das ist keine Antwort, Felin. Woher hast du gewusst, dass es heute soweit ist?«
    Felin zuckte mit den Achseln. »Warum wissen die Krokusse, dass sie ihre Köpfe aus dem Schnee stecken sollen?«
    »Weil es wärmer wird«, antwortete Yonathan unnachgiebig.
    »Ja, das ist eine passende Erklärung«, pflichtete Felin seinem ungeduldigen Freund bei. »Sagen wir, es ist warm geworden auf Neschan, sogar heiß. Deshalb bin ich gekommen.«
    Hilfesuchend blickte Yonathan zu Gimbar hinüber.
    »Frag nicht mich«, entgegnete dieser, als müsse er seine Unschuld beteuern. »Bei mir war die Sache einfacher. Ich gab gestern früh Anweisung einige besonders kostbare Bahnen frisch gesponnener Seide zum Bleichen in die Sonne zu hängen. Wenig später kamen einige Weber zu mir gelaufen und jammerten mir die Ohren voll, das ganze Tuch sei verdorben. Ich wollte mich selbst überzeugen und fand die Seide an ihrem Platz: unversehrt. Und rot.«
    »Interessant«, murmelte Goel.
    »Sie war was?«
    »Ja, du hörst richtig, Yonathan. Die weiße Seide hatte ein sattes Rot angenommen. Niemand hätte in so kurzer Zeit eine solche Menge Stoff heimlich abnehmen, färben und wieder an die alte Stelle hängen können. Unsere Seide ist sehr kostbar, und daher passen wir immer gut auf sie auf. Nebenbei bemerkt war die rote Seide völlig trocken! Ich konnte mir keinen Reim auf diesen Vorfall machen oder sonst irgendeine natürliche Erklärung dafür finden. Noch am selben Abend sagte ich dann zu Schelima, dass ich zu dir in den Garten ginge, da ich verpflichtet sei dir zu helfen, und du offenbar dringend meine Hilfe benötigen würdest. Aber wie gesagt: Frag mich nicht, warum.«
    Yonathan nickte gedankenverloren und murmelte: »Schade um die schöne Seide.«
    »Darum musst du dich nicht sorgen«, sagte Gimbar unbekümmert. »Die Seide ist ja nicht verdorben. Sie leuchtet jetzt nur in einem unvergleichlich kräftigen Karminrot, so gleichmäßig, dass…«
    »Sag das bitte noch einmal!«, platzte Yonathan dazwischen.
    »Wie bitte?«
    »Die Farbe! Wie hast du eben den Farbton beschrieben?«
    »Sie ist karminrot – übrigens eine sehr gute Qualität.«
    Yonathan wechselte einen schnellen Blick mit Goel.
    »Lasst uns in das Studierzimmer gehen«, beschloss der alte Richter. »Es gibt einige sehr wichtige Dinge, die wir besprechen müssen.«
    Zwischen Hunderten von Schriftrollen und kaum weniger ledergebundenen Folianten saßen Yonathan, Goel, Felin und Gimbar und berieten, wie man eine Welt retten konnte.
    »Ich glaube, die Fakten sind eindeutig«, fasste Goel zusammen. Er wanderte unruhig im Zimmer umher, Gimbar hatte sich in einen bequemen Sessel geworfen, Yonathan und Felin standen über einige Landkarten gebeugt am Tisch. »Mein Traum der vergangenen Nacht, die alten Weissagungen und der Bericht, den Felin von seiner Reise durch die Länder Neschans mitgebracht hat: Alles beweist, dass nun der Zeitpunkt gekommen ist. In dem Maße, wie die sechs Augen Bar-Hazzats erwachen, gewinnen die schwarzen Priester Temánahs an Macht und Einfluss. Die Augen müssen unverzüglich zerstört werden! Andernfalls wird das dunkle Reich Temánah Neschan verschlucken. Die Weltentaufe kann dann dieser Welt nur noch die Erlösung bringen, die man einem Pferd mit gebrochenem Lauf gibt.«
    »Man schneidet ihm die Gurgel durch«, meinte Gimbar nüchtern.
    Yonathan sprang auf. »Ich werde diese karminroten Augen finden,

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