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Isch geh Schulhof: Erfahrung

Isch geh Schulhof: Erfahrung

Titel: Isch geh Schulhof: Erfahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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klar bei dir?«, fragt sie mich und schaut streng in die Klasse.
    »Nein, gar nichts ist klar. Alle schreien durcheinander. So kann ich keinen Unterricht machen.«
    Chrissi blickt auf die Schüler.
    »Ja«, sagt sie. »Das höre ich bis nach nebenan. Jeden Tag, jede Stunde.« Dann sieht sie mich an. »Wenn das so weitergeht, besprechen wir mit Herrn Friedrich, dass die Klasse aufgelöst wird. Bis dahin schickst du die Störenfriede einfach zu mir. Okay?«
    Ich nicke, bezweifele aber, dass das wirklich hilft.
    »Also, ihr habt’s gehört«, sage ich, nachdem Chrissi verschwunden ist. »Wer weiter stört, landet in der …«
    In diesem Moment kriegen sich zwei Tischnachbarinnen in die Haare und fangen an, sich wüst zu beschimpfen. Daraufhin wirft Raik, der direkt hinter den beiden sitzt, dem einen Mädchen seine Federtasche an den Kopf. Das Mädchen fängt sofort an zu heulen. Ohne Vorwarnung ist ein Aufruhr im Gange, wie ich ihn eigentlich nur aus den Pausen kenne. Drei bis vier Kids haben sich in den Haaren, während fast die gesamte restliche Klasse den Kampf anfeuert.
    Und da ist er endlich: der Moment, in dem mir die Sicherung durchbrennt.
    Impulsiv hole ich mit dem Lineal aus und schlage es auf den Tisch. Mit einem ohrenbetäubenden Knall zerschellt es auf dem Pult und zersplittert in Hunderte kleiner Teile, die durch die Klasse fliegen.
    Stille.
    Ich starre fassungslos auf den Linealrest in meiner Hand. Plötzlich kneift Jason, der direkt vor meinem Tisch sitzt, die Augen zusammen, beginnt mit schmerverzerrtem Gesicht zu brüllen und hält sich den Arm.
    »Was ist passiert?«, frage ich verstört und rechne damit, dass er gleich tot vom Stuhl kippt. Im Geiste sehe ich schon die Titelseite der Boulevardzeitung vor mir, die ich so sehr verachte, dass ich ihren Namen nicht einmal in Gedanken ausspreche. Darauf prangt die Schlagzeile: LEBENSLÄNGLICH ! AUSHILFSLEHRER BRINGT SCHÜLER UM . Dazu ein Foto von mir mit dunklen Ringen unter den Augen und dem spitzen Rest des Tafellineals in der Hand.
    »Splitter – an – mein – Arm«, heult Jason laut auf. »Auaaaaaa!«
    Ich löse mich aus meiner Schockstarre.
    »Zeig mal her«, fordere ich ihn auf und lasse mir die rote Stelle am Arm zeigen. »Kühlen gehen. Sofort. Fatima, du gehst mit. Und ihr …« Ich schaue in die Klasse, die wie ich unter Schock steht. »Ist mir egal, was ihr macht. Ich hau ab. Ich kündige. Jetzt gleich!«
    Einige Kinder fangen an zu weinen.
    Ich starre auf den Rest des Lineals in meiner Hand. Das hätte auch schiefgehen können. Wortlos packe ich meine Sachen zusammen.
    »Ihr seht mich nie wieder«, verspreche ich und verlasse den Raum.
    »Hab isch doch gesagt!«, höre ich Raik rufen, bevor sich die Tür hinter mir schließt, doch das ist mir egal.
    Aus und vorbei. Den Job bin ich definitiv los. Wenn ich Pech habe, folgt noch eine Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung. Könnte ich gut verstehen.
    Was nun?
    Zum Schulleiter. Angriff ist die beste Verteidigung.
    Ohne zu klopfen, platze ich in Herrn Friedrichs Büro, wo er mit einer Kollegin ins Gespräch vertieft ist.
    »Herr Friedrich«, sage ich mit einem Kloß im Hals, »ich hab Mist gebaut. Ich nehme die gesamte Verantwortung auf mich und kündige. Sofort.«
    »Nun mal ganz ruhig«, entgegnet er gelassen. »Was ist denn passiert?«
    »Etwa in meiner Klasse?«, fragt die Kollegin an seinem Tisch, die ich erst jetzt als Frau Gärtner erkenne.
    Ich nicke.
    »Das war so klar«, ruft sie verärgert. »Die werden immer schlimmer. Wir haben gerade darüber geredet, was …« Sie hält inne. »Wer ist jetzt in der Klasse?«
    »Niemand«, gebe ich zu.
    »O mein Gott!«
    Sie springt auf und stürmt aus dem Büro. Der Schulleiter schließt die Tür und bietet mir einen Platz an. Ich erzähle ihm mit zitternder Stimme die ganze Geschichte, sage mehrmals, dass ich mich nicht davor drücke, für alles die Verantwortung zu übernehmen, und spreche in den folgenden Minuten mindestens fünf Mal meine sofortige Kündigung aus.
    »Herr Möller, jetzt bleiben Sie mal ganz ruhig«, sagt Herr Friedrich, als ich mein Geständnis kurz unterbreche, um Luft zu holen.
    Spinnt der Typ jetzt vollkommen? Nicht nur, dass er mich als Quereinsteiger und Berufsanfänger in der schlimmsten Klasse der ganzen Schule einsetzt. Nein, er hat auch sämtliche Warnrufe und Bedenken missachtet, die ich in den letzten Wochen ausgesprochen habe! Und zwar so lange, bis ich vor Wut ein Tafellineal auf dem Lehrertisch zerkloppt

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