Isis
ihn zunächst auf den Markt, wo er von Stand zu Stand ging, aus alter Gewohnheit Angebote und Preise verglich und schließlich scheinbar zufällig mit ein paar Marktfrauen ins Gespräch kam. Nicht lange, und er wusste, was er wissen musste.
In der drückenden Schwüle war der Weg zur Tempelstadt anstrengend. Immer wieder musste Pacher Rast machen, um sich auszuruhen und etwas Wasser zu trinken. Die Wunde, die Meret ihm mit dem Dolch zugefügt hatte, war verheilt.
Eine lange Narbe unter dem Brustkorb würde ihn jedoch ein Leben lang an diese Nacht erinnern. Schließlich erreichte er am späten Nachmittag die Tempelmauer.
Von einem der jungen Wab-Priester erfuhr er, wann die Seherin für gewöhnlich anwesend war. Und auch, dass während des Opet-Festes keine Besucher in dem halb verfallenen Anbau empfangen würden. Pacher kam diese Auskunft nicht ungelegen. Damit hatte er Gelegenheit, sich ausführlicher umzusehen und genau zu überlegen, welche Schritte er als Nächstes unternehmen sollte.
Noch gemächlicher, um seine Kräfte zu schonen, trat er den Rückweg an. Er aß in einer der Tavernen am Hafen und überlegte kurz, ob er die Dienste einer der Huren in Anspruch nehmen sollte. Dann jedoch entschloss er sich, auf ein solches Vergnügen lieber zu verzichten.
Denn das, was vor ihm lag, würde ihm sehr viel mehr Befriedigung schenken als der Körper einer käuflichen Frau.
oooo
Es war sein letzter Gang in den Stollen, denn nun gab es keinen Nezem mehr, der ihn weiterhin mit Kartenmaterial versorgt hätte. Außerdem waren die nächtlichen Wachen in der Nekropole, wie er schätzte, inzwischen mindestens verdreifacht worden. Überall konnten die Medjai plötzlich in der Dunkelheit auftauchen; Khay musste Haken schlagen wie ein Hase, um ihnen auszuweichen. Zum ersten Mal spürte er so etwas wie Furcht. Erst als er sein Ziel erreicht hatte, gelang es ihm, den Kopf wieder frei zu bekommen.
Natürlich hatten die Männer aus Keftiu ihn im Stich gelassen, aber er war fast froh darüber, wenngleich es auch bedeutete, dass er ganz auf sich allein gestellt war. Vorsichtshalber hatte er sich Schaufel und Spaten zusammen mit einem Sack auf den Rücken gebunden und ein Öllämpchen auf dem Kopf befestigt. Den engen Weg bewältigte er ohne besondere Schwierigkeit. In seinem Gehirn war jede Krümmung, jede Biegung, die der Stollen nahm,
verzeichnet. Irgendwann musste jetzt der Geröllhaufen kommen, den sie beim letzten Mal beseitigt hatten. Langsam robbte Khay auf die Stelle zu und bemühte sich, gleichmäßig zu atmen.
Er war bei dem Loch angelangt und schob sich mit einiger Mühe durch. Dahinter lag die Kammer mit den vielen kostbar geschmückten Mumien. Er richtete sich auf, als es die Höhe erlaubte, nahm das Lämpchen vom Kopf und versuchte das Dunkel zu erhellen.
Ihm war, als herrsche ein größeres Durcheinander als bei seinem ersten Besuch. Einige der Toten hingen zum Teil aus den Särgen, andere waren halb von den Mumienbinden befreit. Bestimmt war es nur seine Erinnerung, die ihm einen Streich spielte! Oder seine Gefährten waren beim Abziehen der Schmuckstücke noch grober vorgegangen, als er es ihnen zugetraut hatte.
Dennoch war es seltsam, dass er nur so wenig Gold fand. Er musste buchstäblich in die Särge kriechen, bis schließlich genügend beisammen war, um seinen Sack einigermaßen zu füllen.
Das Licht begann bedenklich zu flackern. Wenn er den Rückweg nicht bald antrat, musste er ihn in vollkommener Dunkelheit zurücklegen. Khay warf einen letzten Blick auf die toten Pharaonen und kroch durch das Loch zurück in den Schacht.
Wieder draußen, umfing ihn die Schwüle wie ein feuchtes dunkles Tuch. Er blieb zunächst neben dem Eingang liegen, regungslos wie eine Echse an den Boden gepresst, und versuchte herauszufinden, wo die Wachen gerade steckten. In der Ferne glomm ein Feuerschein, aber er musste damit rechnen, dass die Medjai dergleichen benutzten, um ihn in die Irre zu führen.
Dann hörte er sie kommen.
Sie waren zu zweit, der eine schwerer als der andere, weil seine Schuhsohlen härter auf dem felsigen Untergrund aufschlugen. Sie waren noch so weit entfernt, dass er einen kleinen Vorsprung herausholen konnte. Er sprang auf und lief ein Stück bergauf, wo ihm eine Felsnase Schutz gab.
Die beiden machten vor dem Stollen Halt, den er soeben verlassen hatte. »Ob sie heute noch kommen?«, sagte der eine.
»Irgendwann müssen sie ja kommen. Immerhin haben wir noch genügend
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