Isis
Enttäuschung wuchs und war nahe daran, in Wut umzuschlagen. Was wollte der mächtigste Mann Wasets wirklich von ihm? Und was sollte er ausgerechnet am Westtor, das die Assyrer mit Sicherheit als Letztes für einen Angriff wählen würden? Ein Hinhaltemanöver, weil der Fürst ihn nicht ohne Weiteres in die Steinbrüche verbannen konnte?
Eine Flut widersprüchlichster Gefühle durchströmte ihn, und Basa spürte in seinem Mund den bitteren Geschmack des Hintergangenseins. Plötzlich wusste er, wem die Schiffe draußen am Anlegeplatz gehörten: Pharao Tanutamun, der mit ihnen in Sicherheit bringen ließ, was noch zu retten war.
Offenbar dachte Montemhet nicht daran, seinen Ersten Baumeister auch nur mit einem Wort, mit irgendeiner Andeutung in diese Pläne einzuweihen. Ja, Basa hatte auf einmal das sichere Gefühl, dem Fürsten wäre lieber, er würde sehr viel weniger wissen.
Früher hätte er aufbegehrt und etwas gesagt, was er vielleicht schon bald darauf bereuen müsste, inzwischen jedoch hatte er dazugelernt. Kein unvorsichtiger Laut kam über seine Lippen. Stattdessen verneigte er sich, allenfalls eine Spur förmlicher als sonst.
»Wir erwarten deine weiteren Befehle, >Großer in Waset<«, sagte er. »Amun schütze und bewahre dich!«
Danach verließ er das Palais.
oooo
Wie immer, wenn er seinen Bewacherinnen entkommen konnte, lief Khay zu dem Zimmer, das er eigentlich nicht betreten sollte, ohne zu verstehen, weshalb. Denn er liebte das kleine Wesen, das hinter der einfachen Holztüre lebte, und dass Ruza meistens bei dem Kind war, die er ebenfalls gern hatte, vergrößerte seine Freude. Selbst wenn das Kleine in seinem Bett schlief wie jetzt, machte es Spaß, es anzusehen, den warmen Geruch wahrzunehmen, den es verströmte, oder seine zarte Haut zu berühren. Natürlich war es noch viel zu ungeschickt, um mit ihm richtig zu spielen, aber inzwischen konnte es wenigstens einigermaßen stehen. Ruza hatte ihm erst neulich voll Stolz seine ersten schwankenden Schrittchen an ihrer Hand vorgeführt.
Khay war sich nicht ganz sicher, ob das Kleine Ruza gehörte, sicher aber beinahe. Denn der Vater mied seine Nähe, und Mama benahm sich seltsam, wenn sie es sah. Manchmal weinte sie und drückte es so fest an sich, dass es erschrocken zu schreien begann, dann wieder stieß sie es abrupt weg oder würdigte es keines Blickes, wenn die Amme es ihr reichen wollte.
Ruza war es auch, die es von Anfang an genährt hatte: zuerst an ihrer vollen Brust, was ihn ganz neidisch gemacht hatte, später zusätzlich mit einem feinen Papyrustrichter, durch den sie ihm Milch und Honig einflößte. Es gefiel Khay nicht, dass sie dabei feuchte Augen und einen seltsam abwesenden Gesichtsausdruck bekam, während das Kind das Gemisch gierig einsog und mit seinen Beinchen strampelte. Dann krampfte etwas sein Herz zusammen, und er musste unbedingt auf Ruzas Schoß, um seinen Platz zu behaupten. Aber das waren Gefühle, die schnell wieder vergingen, und wenn er sich beim nächsten Mal auf die Zehen stellte, um die verbotene Türe zu öffnen, konnte er sich kaum mehr an sie erinnern.
»Ibib?«
Das Kind sollte nicht länger schlafen, und weil es noch keinen Namen hatte, nannte er es einfach so, wie der Vater ihn nannte, wenn er besonders guter Laune war. Ihm war langweilig. Zuvor hatte ihn die alte Neshet beim Waschen so fest zwischen die mageren Schenkel geklemmt, dass er nicht hatte weglaufen können. Dann hatte er unter ihren wachsamen Augen auch noch so viel Brot, Datteln und Entenbraten essen müssen, bis sein Bauch ganz rund geworden war. Erst als sie auch den zweiten Krug Bier ausgetrunken hatte, erlahmte ihre Aufmerksamkeit. Ihr Blick wurde glasig, die Bewegungen bekamen etwas Fahriges. Schließlich sackte sie zusammen. Seltsame Knurrlaute drangen aus ihrem halb geöffneten Mund.
Höchste Zeit, unauffällig zu verschwinden! Denn seitdem Ruza bei Mama ausharrte, gab es weit und breit niemanden zum Spielen.
»Ibib?«
Vorsichtig berührte Khay die kurze, leicht nach oben gebogene Nase des Kleinen. Dann spuckte er auf den Zeigefinger und versuchte vergeblich, den dunklen Fleck neben dem Auge des Kindes wegzuwischen, der ihn immer irritierte.
Das Kleine schlug die Augen auf und lächelte, als es Khay sah. Seine Händchen griffen in die Luft und zerrten dann mit erstaunlicher Kraft an seinen Haaren.
Khay riss sich los. Er half dem Kleinen beim Aufsetzen und hätte es am liebsten aus dem Bett geholt, aber die Erinnerung an
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