Isis
wäre ich am liebsten«, hatte sie lachend gerufen, als sie bei einem Rennen wieder einmal als Erste das Ziel erreichte. »Dann könnte ich mein Leben lang in Zelten wohnen.«
»Was willst du denn bei den Sandfressern?«, hatte er erstaunt gefragt, als sie dann zusammen am Feuer saßen, über sich den sternenübersäten Wüstenhimmel. »Wo es doch weit und breit keinen prachtvolleren Palast als euren gibt!«
Ihr Lachen klang noch immer in seinem Ohr.
»Menschen, die in Häusern leben, gebrauchen ihre Füße nicht. Sie können nicht gehen, wohin sie wollen. Daher sind sie auch nicht frei. Ich aber möchte die Herrin meines eigenen Lebens sein.«
Sie warf den Kopf zurück, dass die schweren goldenen Ringe an ihren Ohren klirrten. Montemhet betrachtete sie hingerissen, überzeugt davon, niemals zuvor eine anziehendere, eine geheimnisvollere Frau gesehen zu haben. Ein paar unbeschwerte Wochen lang machte er ihr den Hof, und zu seinem Glück schien sie seine Gefühle zu erwidern. Damals war er bereits Vierter Prophet des Amun, ein junger, ehrgeiziger Mann aus bester Familie, der es bestimmt noch weit bringen würde.
Dann jedoch gab Pharao Taharka ihm unmissverständlich zu verstehen, dass er ganz andere Pläne mit seiner Schwester habe. »Sie wird die >Gottesgemahlin des Amun<«, sagte er, »und damit die eigentliche Herrscherin Wasets. Zu gegebener Zeit wird sie meine Tochter Amenardis adoptieren, damit die Kontinuität gewahrt bleibt. Sieh dich vor, Montemhet! Der Gott ist eifersüchtig und nicht bereit, Schepenupet mit jemand anderem zu teilen — schon gar nicht mit einem gewöhnlichen Sterblichen!«
Bevor er noch richtig begriffen hatte, war er bereits entlassen.
Wenige Tage später erhielt er von Taharka die Nachricht, dass er zum »Großen in Waset« und damit zum Fürsten ganz Oberägyptens erhoben war. Es wollte ihm nicht gelingen, sich darüber zu freuen, so benommen fühlte er sich. Und auch Schepenupet gegenüber war er plötzlich gehemmt. Auf einmal empfand er Unsicherheit, wo zuvor nur Freude und rückhaltlose Verehrung geherrscht hatten.
Die Prinzessin freilich schienen die Pläne ihres königlichen Bruders wenig zu interessieren. Nach wie vor begegnete sie Montemhet freundlich und ließ ihn ihre Gunst durch tausenderlei kleine Gesten und Andeutungen wissen.
Allmählich gewann er seine Sicherheit wieder. Er spürte, dass sie an ihn dachte, ihn am liebsten ständig um sich haben wollte, vielleicht sogar von ihm träumte. Und er begehrte sie nach wie vor. Alles andere erschien ihm plötzlich unbedeutend. Sie war seine Gegenwart, seine Zukunft — sein Leben.
Bis zu jenem Abend, an dem sie ihn in einen abgelegenen Winkel des Palastgartens bestellte und ihm unter Palmen und Akazien ohne lange Vorrede eröffnete, dass ihre Adoption durch die amtierende Gottesgemahlin des Amun beschlossene Sache war. In wenigen Tagen würde sie Napata verlassen, um stromabwärts zu segeln. Fortan war ihre Heimat in der Tempelstadt von Ipet-swt - ganz in seiner Nähe, aber dennoch unerreichbar für ihn.
Er schwieg, unfähig zu einer Erwiderung.
»Ich hatte geglaubt, du könntest in meinem Herzen lesen«, sagte sie mit zitternder Stimme.
»Ich dachte das Gleiche. Aber es war eine Lüge, was ich da sah.«
»Es war keine Lüge, und du weißt es. Aber ich bin dem Gott versprochen, und ich werde dieses Versprechen halten.«
Beide standen eng beisammen, Haut berührte Haut. Am schwierigsten würde es sein, ihr Lächeln zu vergessen. Er wünschte, er könnte es noch einmal sehen - in diesem Augenblick.
»Versprochen!«, wiederholte er bitter. »Und das aus dem Mund einer >Tochter des Windes<, die geschworen hat, nie jemanden über sich herrschen zu lassen?«
»Allein«, sagte sie nach einer kleinen Weile, »allein mit dir selbst. In dir selbst. Bist du das manchmal, Montemhet?«
»Immer«, flüsterte er. »Außer wenn du bei mir bist. Wie soll ich ohne dich weiterleben?«
»Küss mich!«, sagte sie daraufhin. »Worauf wartest du noch?«
Seine Lippen berührten ihren Mund. Blind, aber mit sicherem Griff umfingen sie einander wie in einem Tanz und sanken unter einen blühenden Busch neben einen der unzähligen künstlichen Wasserläufe, von denen die gesamte Anlage durchzogen war. Neugierig, ohne Scham und wie selbstverständlich gab sie sich ihm hin, stöhnte auf vor Schmerz und Genuss. Eine ziellose Lust stieg in ihm auf, zu nehmen und zu besitzen, was er nicht besitzen durfte. Beide sagten nichts, sondern vertrauten
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