Isis
dir mitgebracht habe? Das Kind hat sich bis zuletzt nicht gedreht. Ich fürchte, du wirst einiges aushalten müssen, wenn es mit den Füßen oder seinem Hinterteil zuerst kommt.«
»Nein, lass nur, ich werde es auch so durchstehen.« Sarit versuchte, sich mit Selenes Hilfe etwas aufzusetzen. »Obwohl es sich anders anfühlt als bei den beiden ersten Malen. Beinahe, als ob ich von innen aufgerissen würde.« Keuchend redete sie weiter. »Aber es sind ja gar nicht die Schmerzen, die mir solche Angst machen, Selene. Was, wenn das Kind wieder wie das Kleine .«
»Hapis Segen wäre ihm auf jeden Fall gewiss. Und jetzt streng dich gefälligst an, meine Schöne! Was meiner Isis noch fehlt, ist eine lustige, kleine Freundin.«
oooo
Er liebte es, in den frühen Morgenstunden durch die Straßen zu laufen, wenn das Leben in den Innenhöfen erst allmählich begann. Sich in diesen geschenkten Stunden in einer Sänfte herumtragen zu lassen war etwas für Protzer oder Faulpelze, nichts jedoch für einen Mann wie Basa, der sich schon immer auf die Kraft seiner Muskeln und Sehnen verlassen hatte. Der Duft nach frischem Fladenbrot, der von unzähligen Feuerstellen aufstieg, ließ seine Schritte schneller und gleichmäßiger werden. Genauso hatte es in dem armseligen Haus in Mennefer gerochen, das er mit seiner Mutter bewohnt hatte, und manchmal waren die hauchdünn ausgerollten Fladen tagelang das Einzige gewesen, was die Witwe und ihr Sohn zu essen gehabt hatten.
Damals hatte er sich die meiste Zeit verzweifelt und niedergeschlagen gefühlt, selbst wenn sein Rücken ausnahmsweise nicht von ihren Stockhieben brannte. Damals hatte er sich geschworen, der Welt zu beweisen, was in ihm steckte, vor allem jedoch dieser unbarmherzigen Rächerin, die ihm zwar das Leben geschenkt hatte, ihn jedoch Tag für Tag härter dafür büßen ließ. Die Flecken und Blutergüsse auf seiner Haut mochten verblasst sein, aber es tat noch immer in den Knochen weh, dort, wo nur er wahrnehmen konnte, was sie ihm angetan hatte.
Unwillkürlich straffte er sich.
Inzwischen trug er seine verblichenen Narben wie Kampfspuren, und die Albträume behielt er für sich. Keiner würde in dem allseits geachteten Ersten Baumeister mehr den mageren, geduckten Jungen erkennen können, der vergeblich darauf gebrannt hatte, unbeschwert wie andere zu spielen — bis zu jenem Tag, an dem er durch einen älteren Freund zum ersten Mal von Imhotep erfahren hatte. Hoherpriester von Heliopolis war er gewesen, Ratgeber des Königs Djoser und Erbauer seiner großartigen Pyramide in Sakkara. Ganz Kernet verehrte ihn als Gott.
Die Vision, jenem Sagenumwobenen nachzueifern, hatte Jahre harter Entbehrungen erträglicher gemacht. Inzwischen hatte Basa trotz mancher Widerstände und Rückschläge erreicht, wovon andere nur träumten. Natürlich gehörte ganz Kernet dem Einzig-Einen; der allmächtige Pharao gebot über das Land und seine Erträge, er ließ Bauwerke errichten zum Lob der Götter. Aber er brauchte Menschen dazu, um Grund und Boden, Materialien und Tiere zu nutzen: Stadtfürsten, Priester, Verwalter — Männer wie ihn, die dabei Ehre und Reichtum erwerben konnten, wenn sie es geschickt anstellten. Basa war beides gelungen: Vom Taglöhner, der unter der Last der Steine schier zusammenbrach und auch die niedrigsten Dienste annehmen musste, um zu überleben, hatte er sich durch Fleiß, Klugheit und schließlich die Einheirat in eine der besten Familien zum Ersten Baumeister des Stadtfürsten Montemhet emporgearbeitet.
Und an einem blanken Morgen wie diesem kam es ihm vor, als sei Waset seine Stadt.
Viele der bunt bemalten Häuser trugen seine Handschrift.
Seine Arbeiter standen im Ruf, solide Arbeit zu leisten, und errichteten das verzahnte Fachwerk so gekonnt, dass es die getrockneten Lehmziegel für mehr als eine Generation halten würde. Es hatte gedauert, bis er die überlieferten Techniken so weit verbessert hatte, dass sie seinen Ansprüchen genügten. Seine Spezialität waren Fußböden und Decken aus Balkenlagen, die mit Pech und Stroh versiegelt und erst anschließend mit Lehm geglättet wurden. Entwicklungen, die seine wohlhabende Kundschaft zu schätzen wusste. Niemals hatte es so großen Reichtum in Waset gegeben, nie zuvor war so viel Silber und Gold in Umlauf gewesen. Unter der inzwischen mehr als achtzigjährigen Herrschaft der schwarzen Pharaonen war die Stadt immer größer und prächtiger geworden, obwohl das nördlich gelegene Mennefer stets
Weitere Kostenlose Bücher