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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Priesterschaft gehofft. Das Gerücht, er habe die verhassten Feinde heimlich in die Stadt gelassen, kam ihnen gelegen, und sie verbreiteten es eifrig, aber es gab nicht einen einzigen Beweis für die Verdächtigung. Nur einer in der Stadt hätte ihn liefern können. Der Erste Baumeister jedoch hatte sich entschlossen zu schweigen — vorerst zumindest, bis der richtige Augenblick gekommen war, um sein Wissen an passender Stelle zu offenbaren.
    Trotz des Truppenabzugs jedoch hielt Assur die Stadt noch immer in unsichtbaren Klauen. Kernet war und blieb assyrische Provinz, der Herrscher saß in Ninive und erteilte von dort aus seine Befehle. Jener immensen Beute, welche die Eroberer in Kisten und Säcken fortgeschleppt hatten, mussten Jahr für Jahr neue Abgaben und Reparationszahlungen folgen, solange der unstillbare Appetit Aschurbanaplis nicht befriedigt war. Blieben sie aus, war mit dem Tod der verschleppten Geiseln zu rechnen.
    Es erboste viele in Waset, dass Montemhet seine Söhne rechtzeitig außer Landes gebracht hatte, um sie, wie man behauptete, vor der Verschleppung zu bewahren und an ihrer Stelle lieber andere zu opfern. Als Nesptah und Patjenfi nach ihrer Rückkehr den Vater in den Tempel begleiteten, trafen sie deshalb viele scheele Blicke.
    Nesptah, seit jeher gelassener, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, der sensiblere Ältere jedoch konnte es nur mühsam ertragen. Patjenfi, noch magerer als vor seiner Abreise ins Goldland, als hätte der Wüstensand jedes Deben Fett an seinem hoch gewachsenen Körper verbrannt, starrte zu Boden, als könne er kaum erwarten, sich endlich zurückzuziehen.
    Auch Montemhet registrierte sehr wohl, was um sie herum geschah, zeigte aber nach außen keine Reaktion. Er wusste, wie sehr sie ihn hassten und seine Nachkommen dazu. Aber er wusste auch, dass sie ihn brauchten, mehr denn je. Keiner würde es wagen, offen gegen ihn aufzustehen. Sollten sie nur in ihren Herzen heimliche Rebellion gegen ihn hegen — solange er Schepenupet auf seiner Seite wusste, konnte ihm niemand etwas ernstlich anhaben.
    In einer der Nebenkapellen hatte er eine neue Inschrift anbringen lassen, einen Hymnus, der das Lob Amuns pries:
    »Herr der Ewigkeit, die Dauer ist in Deiner Faust, Du befiehlst dem Leben. Du ordnest das Geschick der Götter, der Menschen und der Geister. Sie alle handeln unter Deiner Führung ...«
    »Er spielt sich auf, als sei er der Pharao höchstpersönlich«, sagte der Hohepriester Horachbit säuerlich zu Harwa, als die Zeremonie zu Ende war. »Und sieh dir nur mal seine arroganten Söhne an! Man könnte meinen, sie seien die Falken-im-Nest. Dabei stammt der Jüngere von einer schwarzen Sklavin ab. Was die Herrin Udjarenes ihm übrigens bis heute nicht verziehen haben soll.«
    »Jedenfalls versteht er es wie kein anderer, die Gunst der Stunde zu nutzen«, erwiderte Harwa halblaut. »Erst hat er schamlos mit den Assyrern kollaboriert. Jetzt, wo sie endlich abgezogen sind, findest du auf einmal keinen treueren Gefolgsmann Tanutamuns als ihn. Und wiederum scheint seine Rechnung aufzugehen.«
    »Wer weiß, wie lange noch? Seine Wendigkeit wird ihn früher oder später den Kopf kosten.«
    »Hast du denn neue Nachrichten aus Napata?«, wollte Harwa wissen, als sie den Tempel verließen. Vor dem Tor war das Fehlen der beiden großen Obelisken nicht zu übersehen.
    Angesichts ihrer Spuren im sandigen Boden mussten Horachbit und Harwa an die Schmach denken, die ihr Abtransport für die Priesterschaft Amuns bedeutet hatte.
    »Nichts von Bedeutung«, erwiderte Horachbit. »Tanutamun nennt sich immer noch >Herr beider Länder<. Er redet sogar davon, ein Heer aufzustellen, um Kernet vom Süden her zurückzuerobern.« Er gab ein skeptisches Schnauben von sich. »Nichts als Träume und Phantastereien, wenn du mich fragst. Woher soll er Soldaten nehmen? Seine hiesigen Truppen sind aufgerieben, und die Kuschiten sind es Leid, ihre Schädel für uns hinzuhalten. Das berichten meine Spione einhellig. Soll Tanutamun nur weiterhin glauben, Napata sei das bessere Waset und er der fähigste aller Diener Amuns!
    Von mir aus braucht er niemals mehr wieder zu kommen.«:
    »Aber Meru hat erst neulich gesagt ...«
    »Hör mir bloß auf mit dem Tempelschreiber!«, unterbrach ihn der Hohepriester. »Wir sollten uns schleunigst um einen geeigneteren Nachfolger kümmern. Seitdem die Assyrer ihm öffentlich die Zähne ausgeschlagen haben, ist er endgültig zur Memme geworden. Außerdem ist er einer von

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