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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Welt draußen aus. Auf dem Boden lagen golddurchwirkte Sitzkissen. Ein Wandgemälde zeigte eine heitere Tierszene, blaue Affen, die sich im Dickicht um Früchte stritten. Die Tür zum Nebenraum stand halb offen, weit genug, um den Blick auf ein breites Bett freizugeben. »Wie hat eigentlich Udjarenes auf deinen späten Ausflug reagiert?«
    »Ich bin nicht hergekommen, um zu trinken«, erwiderte Montemhet knapp, »und keinem Menschen über mein Kommen und Gehen Rechenschaft schuldig.«
    »Nein, du bist hier, weil alle im Tempel dich hassen, so wie deine Frau dich hasst, richtig? Und weil du wissen möchtest, ob ich mich auch auf ihre Seite geschlagen habe.«
    Sie trank. Dabei sah sie ihm in die Augen, und er spürte ein vertrautes Ziehen im Bauch.
    »Bist du auf ihrer Seite?«, fragte Montemhet. Er wirkte blass und angestrengt. Wie ein Schiff, das keinen richtigen Hafen hat, dachte sie, und doch Tag für Tag auf gefährliche Fahrt gehen muss. Hätte unter anderen Umständen ich dieser Hafen sein können? Eine Frage, die sie früher ohne zu zögern bejaht hätte. Inzwischen jedoch war sie sich nicht mehr sicher.
    »Zweifelst du an mir?«, sagte sie schließlich. »Ist es das, was dich hergeführt hat?«
    »Wer nie zweifelt, muss verrückt sein«, erwiderte er. »Ich halte nach wie vor große Stücke auf einen klaren, genau arbeitenden Verstand. Aber ich würde auch gerne wissen, woran ich mit dir bin.« Er suchte nach den richtigen Worten. »Du bist so ... verändert in letzter Zeit«, fügte er hinzu.
    »Wer sich nicht ändert, ist dumm«, versetzte sie ihm, nicht minder direkt. »Ich mache mir, wie du weißt, nichts aus dummen Menschen.«
    »Genauer gesagt, seit der Invasion der Assyrer.«
    Nun griff auch Montemhet nach einem Becher. Der kühle Ton in seiner Hand wirkte beruhigend. Er trank und fand allmählich zu seiner gewohnten Sicherheit zurück.
    »Manchmal erkenne ich dich kaum wieder.«
    »Das geht mir ähnlich.« Schepenupet kam langsam näher.
    »Aber ist das verwunderlich? Re wird jeden Morgen geboren und stirbt jede Nacht wieder. Sogar er verändert sich also unablässig.« Sie war nur eine Armlänge entfernt, aber dennoch unerreichbar. »Du willst unbedingt vorwärts kommen, das ist unübersehbar. Und es scheint dir zu gelingen.«
    »Wenn du pflügst und alles gedeiht auf dem Feld, und wenn Gott dir reichlich gibt, dann rühme dich dessen nicht übermäßig und erhebe dich nicht über den, der nichts hat«, zitierte er eine der alten Weisheitslehren, die man schon als Kind beigebracht bekam. »Ich gebe mir Mühe. Mehr nicht.«
    »Das meine ich nicht«, sagte sie spitz. »>König von Waset<, so nennen dich bereits einige Urkunden der Besatzer, obwohl du anderseits öffentlich damit prahlst, deinen assyrischen Namen abgelegt zu haben. Ist es das, was du anstrebst? Haben wir dafür unsere Stadt geopfert?«
    »Wir haben getan, was wir in einer schwierigen Lage für das Beste hielten.«
    »Nein, sie haben uns für ihre Zwecke benutzt, das ist die Wahrheit«, sagte sie heftig, »ohne jemals ernsthaft zu erwägen, sich an die mit uns getroffenen Abmachungen zu halten.
    Und wir waren naiv oder selbstherrlich genug, ihren Lügen zu trauen. Kannst du dir diese Schwäche verzeihen, Montemhet?« Ihre ganze Wut und ihr ganzer Kummer lagen in diesem einen Wort, seinem Namen.
    »So sehr hasst du mich«, sagte er erstaunt.
    »Der große Weg ist nicht schwer für jene, die keine Vorlieben haben«, konterte sie mit einer anderen Weisheitslehre. Sie beherrschte alle Register. Selbst darin war sie ihm ebenbürtig. »Gibt es weder Liebe noch Hass, so wird alles klar und unverstellt. Doch schon bei der kleinsten Bevorzugung klaffen Himmel und Erde unendlich auseinander.«
    »Und du hast auf einmal keine Vorlieben mehr? Keine Erde? Keinen Himmel?«
    »Ich sehe dich mit anderen Augen, das ist alles. Was ich besser schon viel früher hätte tun sollen! Stattdessen jedoch habe ich wie ein trotziges Kind an meinem Traumbild festgehalten.« Sie lächelte wehmütig. »Du weißt schon, die großen, unerfüllten Geschichten, die alle kennen, weil sie wieder und wieder erzählt werden, bis sie uns so vertraut sind wie die eigene Haut.«
    »Und jetzt sind deine Träume zerbrochen?«
    Schepenupet sah ihn mit einer unergründlichen Mischung aus Müdigkeit und Gleichgültigkeit an und plötzlich schämte er sich.
    »>Das Schicksal zerbricht uns, als seien wir Glas, und unsere Scherben finden niemals wieder zusammen<«, zitierte sie.
    »Oder

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