Isis
trächtig, andere begleitet von ihren Kälbern, die jämmerlich nach ihrer Mutter blökten, wenn sie sich versehentlich zu weit entfernten. Abgesondert vom Rest standen in einer kleinen Herde zusammengefasst die schlanken, hochbeinigen Rennkamele, das Kostbarste, was hier angeboten wurde, vorwiegend Stuten, weil die Brunft bereits begonnen hatte und die jungen Hengste in dieser Zeit sich nicht nur gern Zweikämpfe mit ihren Rivalen lieferten, sondern auch bissig zu Menschen wurden.
Die meisten Händler behandelten ihre Kamele gut; aber es gab auch vereinzelte, die die Tiere mit Stockschlägen malträtierten, wenn sie zu störrisch waren. Dann spürte Ruza, wie sich das Kind auf ihren Schultern verkrampfte und seine Tränen sofort zu fließen begannen, wenn irgendeine Kreatur in seiner Nähe leiden musste.
Gerade noch rechtzeitig konnte sie nach rechts in einen Nebenweg schwenken, ehe einer der Schlachter die Kehle eines Schafs mit einem frisch geschliffenen Messer durchtrennte. Ein schneller Schnitt, ein kurzes Zucken. Blut floss aus dem offenen Hals und verlief im Sand.
Eine vertraute Stimme brachte Ruza dazu, sich überrascht umzudrehen. Ihr Bruder stand neben einem dunkelhäutigen Nomaden und lachte aus vollem Hals. Sie konnte sich nicht erinnern, ihn jemals so strahlend und ausgelassen gesehen zu haben. Vorsichtshalber drückte sie sich mit dem Kind gegen eine Bretterwand, damit er sie nicht zu früh entdeckte. Breitbeinig und selbstbewusst badete Pacher seine Hand im warmen Schafsblut. Dann zögerte er einen Augenblick. Der Nomade nickte ihm auffordernd zu. Da drückte Pacher seine blutige Hand auf das helle Fell eines Kamels. Der Abdruck der fünf Finger galt als magische Kraft, die die bösen Geister in der Wüste vertreiben sollte. Und es war die Ehre und das alleinige Privileg des Karawanenbesitzers, die Leitstute auf diese Weise zu kennzeichnen.
So schnell sie konnte, lief Ruza nach Hause. Meret schien ihre Aufregung zu spüren und protestierte nicht, als Ruza sie im Innenhof zum Spielen absetzte. Ruzas Hände zitterten, als sie die staubige Erde unter dem alten Feigenbaum wegscharrte.
Sie wurde erst ruhiger, als sie auf den Gürtel stieß. Ungeduldig nahm sie ihn aus der kleinen Grube heraus und stutzte einen Augenblick, weil er ihr plötzlich leichter vorkam. Sie schüttelte ihn und prüfte sein Gewicht, immer noch unschlüssig. Als sie jedoch die vertrauten Schmuckstücke durch den Stoff betastete und schließlich sogar einige probeweise aus der versteckten Öffnung zog, war alles, wie es sein sollte.
Das Gold schimmerte in ihrem Schoß, massiv und solide gearbeitet, die beste Garantie für eine sichere Zukunft. Es fiel ihr noch schwerer als sonst, sich wieder von ihrem Schatz zu trennen.
Als schließlich alles erneut unter dem Feigenbaum vergraben war, ging Ruza mit Meret ins Haus zurück.
oooo
Unablässig hielt Sarit Ausschau nach ihrem verlorenen Kind — am nächtlichen Sternenhimmel, im Staub, in der kalten Asche des Herdfeuers. Ihr Körper fühlte sich hart und steif an, ein Schmerz, der in den Knochen saß und sich immer tiefer weiterfraß. Sie hatte sich angewöhnt tränenlos zu weinen, schon um Basas Zorn nicht heraufzubeschwören. In ihren Träumen war sie lebendig, konnte laufen, fühlen, sogar weinen. Aber selbst wenn sie träumte, begegnete sie niemals dem Kleinen. Eine verlassene Wiege war alles, was sie sah, ein weißes Leinentuch, auf dem ein Blutfleck wie eine große Mohnblüte leuchtete.
Falls sie sich überhaupt der Mühsal des Aufstehens unterzog, standen ihr endlos leere Tage bevor, in deren Verlauf sich die Traumreste mit der kalten Missbilligung Basas vermischten.
Er schlug sie nicht. Noch nicht. Aber Sarit spürte, dass die Wand, die ihn davon trennte, mit jedem Tag brüchiger wurde. Manchmal provozierte sie ihn sogar absichtlich, um es endlich auf sich zu nehmen. Vielleicht würde der körperliche Schmerz sie wenigstens wieder halbwegs lebendig machen.
Aber so hochmütig sie sich ihm gegenüber auch verhielt, er ließ sich niemals zu Schlägen hinreißen. So verlieh es ihr wenigstens eine Art schaler Genugtuung, zuzusehen, wie viel ihn diese Beherrschung kostete.
Sie wusste längst, dass Basa ein heimliches Leben führte. An vielen Abenden verließ er das Haus, und wenn er irgendwann im Morgengrauen zurückkam, waren seine Schritte unsicher.
Er trank mehr, als ihm gut tat, und sein Gesicht verriet ihr, dass er sich anderswo jene Art Befriedigungen zu
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