Isis
ihnen. Ich habe diese Kuschiten niemals leiden können.«
Harwa sah ihn erstaunt an. Selbst die dickste Puderschicht konnte Horachbits dunkle Haut nicht verdecken.
»Ich weiß, dass ich das Blut des Goldlandes in mir trage«, sagte er. »Aber mein Herz schlägt seit jeher für Kernet, wo mein Vater geboren wurde, nicht für Kusch.«
»Auch ich war nie ein großer Freund der Kuschiten«, bekräftigte Harwa. »Außerdem herrscht Amun seit Anfang aller Zeiten über unsere Stadt - nicht seine >Gottesgemahlin<, und wenn sie sich seit neuestem noch so sehr mit der Göttin Mut gleichsetzt!« Dass er alles daran gesetzt hatte, ihr Oberamtmann zu werden, schien er vergessen zu haben. »Schon gar nicht ihr Liebhaber. Darf die >Gottesgemahlin< zugleich Metze des Stadtfürsten sein, frage ich dich?«
»Die alte Ordnung ist zerstört«, sagte Horachbit, »und damit ein gefährliches Vakuum entstanden, das Raum für schädliche Neuerungen lässt. Wir aber sind da, um die Traditionen zu schützen, wir, die Diener Amuns. Die Götter allein sind ewig - hat sie das nicht selbst gesagt?« Mit dem Kinn wies er in Richtung der prachtvollen Sänfte Schepenupets, die diese an der Seite ihrer Nichte Amenardis gerade bestieg.
»Was freilich nicht heißt, dass wir die Hände in den Schoß legen dürfen. Vielmehr ist Handeln gefragt. Und ich denke, die Zeichen stehen günstig dafür.«
»Was meinst du damit?«, fragte Amun-Priester Irti, der zu ihnen gestoßen war, der Dritte im Bunde, der nichts mehr verabscheute als die Herrschaft einer starken Frau im Tempel. »Befürchtest du, dass Waset seinen Rang an Mennefer abgeben muss?«
»Das liegt einzig und allein an uns.« Horachbit befeuchtete seinen Zeigefinger und hielt ihn in die Luft. »Spürt ihr nichts?«, fragte er. »Ihr müsst es doch auch spüren!«
»Was?«, wollte Irti wissen, während Harwa nur den Kopf schüttelte.
»Der Wind hat sich gedreht«, sagte Horachbit. »Er kommt jetzt aus Norden. Vergesst die schwarzen Pharaonen! Sie haben ihre Chance gehabt — und verspielt. Die Zukunft Kemets wird im Delta bestimmt.« Sein Mund verzog sich. »Und ist sie nicht ebenso wichtig wie unsere ruhmreiche Vergangenheit, vorausgesetzt, sie knüpft an unsere Traditionen an?«
»Du meinst also, wir sollten .«
»Bedeutet Priestertum denn nicht Königsdienst?«, wandte Irti ein.
»Ganz recht! Was wir brauchen, ist ein starker Pharao, der das Land wieder eint. Nur so kann Kernet zu seiner alten Macht und Stärke zurückfinden. Lasst uns nicht länger eine Herde sein, die ihren Hirten und damit ihre Richtung verloren hat!«
»Jemand muss diesen schmachvollen Zustand beenden«, fiel Irti eifrig ein. »Kernet eine der Provinzen Assurs — das muss sich ändern! Und wer anders könnte das als Nabusche, ich meine Psammetich, schließlich ist er ein Mann aus Kernet wie wir! Habt ihr schon gehört, dass die Assyrer ihn auch zum Herrn von Mennefer gemacht haben?«
»Natürlich!«, bestätigte Harwa. »Es kann nur Nechos Sohn sein, nach allem, was geschehen ist!«
»Eure Worte waren meine Gedanken«, sagte Horachbit.
»Deshalb habe ich bereits einen Unterhändler nach Sai's geschickt, um dem mächtigen Deltafürsten - nun, lasst es mich einmal so formulieren — unsere Sicht der Dinge nahe zu bringen. Ich bin sicher, Psammetich ist klug genug, Interesse zu zeigen. Zudem hat er die volle Rückendeckung Assurs.
Eine neuerliche Invasion wäre damit ausgeschlossen. Und ihr wisst so gut wie ich, dass Waset eine solche kein zweites Mal überleben könnte.«
»Gibt es denn schon eine Reaktion aus Sais?«
»Sie wird vermutlich nicht allzu lange auf sich warten lassen.« Horachbit lächelte dünn. »Ich rechne damit, dass wir zufrieden sein können. Ob sie allerdings Montemhet auch gefallen wird, ist fraglich.«
oooo
Er kam nachts zu ihr, als der Hofstaat schlief und nur ein paar vertraute Diener noch wachten. Schepenupet war über die späte Stunde verärgert. Dabei war es ihr Vorschlag gewesen, weil sie es vermeiden wollte, das Gerede in der Stadt weiter anzuheizen. Sie empfing Montemhet erstmals in ihren inneren Gemächern, um neugierige Augen und Ohren auszusperren, wie sie betont hatte, aber auch, weil sie gespannt war, wie er auf die Intimität des Ortes, der ihre ganz persönliche Handschrift trug, reagieren würde.
»Wein?« Sie ging zum Tisch und schenkte zwei Becher ein.
Die Flammen in zwei ausgehöhlten Straußeneiern tauchten den Raum in warmes Licht und sperrten die dunkle
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