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Ismaels fliegende Wale

Ismaels fliegende Wale

Titel: Ismaels fliegende Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip José Farmer
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Grund des Blutverlustes zu sterben.
    Bevor sie gelandet waren, hatte jeder noch damit gerech net, daß die Stadt – mochte sie so zerstört sein wie sie wollte – irgendwann wieder erblühen würde. Immerhin besaß man ja noch die Götter, und wenn sie auch erlaubt hatten, daß Zalarapamtra in einer Katastrophe unterging, so konnten sie dennoch nie gestatten, daß die Stadt ausstarb. Wer hätte ihnen sonst huldigen sollen?
    Niemand hatte allerdings daran gedacht, daß auch Avastshi und Manvrikaspa ihre Götter gehabt hatten und dennoch bis zum letzten Gläubigen ausgerottet worden waren.
    Die Mannschaft war verzweifelt – und was noch schlimmer war: hoffnungslos. Verzweiflung konnte man mit Hoffnung überwinden, aber Hoffnung konnte nur dann entstehen, wenn etwas geschah, das einen die Hoffnungslosigkeit vergessen machte. Selbst als in den nächsten Tagen fünf weitere Walfangschiffe zurückkehrten, munterte das niemanden auf. Wenn man überhaupt an etwas dachte, dann nur daran, daß sich mit der zunehmenden Zahl von Rückkehrern auch die Verzweiflung erhöhte. Die Stadt war beinahe ebenso still wie in jenen Tagen, als lediglich vier Überlebende in ihr gehaust hatten.
    Weitere sechs Tage gingen ins Land. Mittlerweile herrschte ein wenig mehr Aktivität, da es notwendig geworden war, auf Grund der angespannten Ernährungslage auf die Jagd zu gehen. Kapitän Baramha starb an den Folgen einer Wundinfektion und dem nur noch schwachen Verlangen weiterzuleben. Sein Schiff brachte ihn über die toten Seen hinweg. Dann wurde nach einer kurzen Zeremonie sein nackter Körper über eine Planke ins Leere gekippt.
    „Ihr habt immer noch die Schiffsgötter“, sagte Ismael. „Warum könnt ihr nicht …“
    „Sie haben nur Macht über die Schiffe“, sagte Namalee. „Es sind nun einmal sehr kleine Götter. Nein, was wir brauchen, sind Stadtgötter – und vor allen Dingen Zoomashmarta, den allergrößten.“
    „Sonst werdet ihr aufgeben und einfach sterben?“ fragte Ismael.
    Die anderen gaben keine Antwort, aber es war an ihren Gesichtern abzulesen, daß es genau dies war, was sie tun würden. Man saß um eine Reihe von Feuern herum, die man in einer wiederhergestellten unterirdischen Kammer angezündet hatte. Die Feuer waren klein und entwickelten so gut wie keinen Rauch. Die Luftversorgung funktionierte über einige in die Decke geschlagene Löcher. Beleuchtet wurde der Raum von Glühwürmchenlaternen. So wie die Erde sich bewegte, erzitterte auch der Fußboden.
    Ismael saß mit Namalee, ihren fünf Schwestern und den Schiffskapitänen um eines der Feuer. Die Ersten Offiziere und die Zweiten hatten sich in der gleichen Art zusammengefunden, während die Matrosen sich in anderen Räumen aufhielten.
    Ismael fragte sich, wie viele Menschen wohl noch auf der Erde leben mochten. Wenn sie alle ein derartiges Verhalten an den Tag legten, konnte es ziemlich oft geschehen, daß sie sich Situationen gegenübersahen, in denen es leichter war, aufzugeben und sich dem Tod zu beugen. War dieses Verhalten tatsächlich allgemeingültig? Hatte der Mensch eine dermaßen lange Reise durch die Zeit hinter sich, daß er ihrer müde geworden war? Stellten die langsame rote Sonne und der nahe Mond für die Menschen eine ständige Erinnerung daran dar, daß alles nur auf eine Weise enden konnte?
    Oder waren jene, die auf dem Grund des Pazifischen Ozeans lebten, die einzigen, die sich auf diese Weise verhielten? Gab es anderswo noch Gruppen, die ein Ziel verfolgten, die den Willen zum Leben besaßen, den auch jene besessen hatten, die zu Ismaels Zeiten existiert hatten?
    Ismael warf einen Blick auf Namalee und fühlte, wie er wütend wurde. Es war nicht recht, daß eine derart schöne und junge Frau sich bloß wegen eines geschnitzten Stückes Elfenbein dem Tod übergeben wollte.
    Er stand auf und sprach mit lauter Stimme auf die Menschen ein. Die anderen, die um die Feuer hockten, schauten auf und sahen ihn erwartungsvoll an. Ismael wurde klar, daß sie – bewußt oder unbewußt – darum beteten, daß er, der Fremde, nicht an ihre Bräuche gebunden sei und ihnen einen Ausweg aus dieser prekären Lage zeigen könne.
    „Wenn ihr die großen Wale jagt, könnt ihr mitnichten Feiglinge sein“, sagte Ismael. „Das weiß ich. Keine Memme wagt sich in ein kleines Boot, wirft eine Harpune in den Kopf eines Ungeheuers und läßt sich anschließend von ihm so hoch in die Luft ziehen, daß der Tod in der Gestalt des Windes an den Ohren vorbeipfeift

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