Ismaels fliegende Wale
– und zwar in jeder Sekunde. Und ich bin sicher, daß ihr, wenn es dazu kommt, gegen andere Menschen zu kämpfen, ebenso tapfer seid.“
Er machte eine Pause, sah sich um und bemerkte, daß die Frauen ihn zwar geradewegs ansahen, die Männer jedoch zu Boden blickten.
„Aber“, sagte Ismael noch lauter, „ihr braucht jemanden, der euch von außen her antreibt! Ihr müßt eure Götter haben, um euch wie Männer zu benehmen! Euer Mut wird euch von etwas eingeblasen, das außerhalb von euch selbst steht! Es lebt nicht in euch, bringt euer Herz zum Schlagen und macht es so heiß wie die Kohlen dieser Feuer!“
„Die Götter kontrollieren diese Welt!“ sagte Namalee. „Was können wir ohne sie anfangen?“
Ismael schwieg. Was konnten sie wirklich tun? Ehe er nicht etwas für sie tat – nichts. Und er hatte sich dermaßen an seine Nebenrolle und die Position eines Beobachters gewöhnt, daß es ihm schwerfiel, jetzt derjenige sein zu sollen, der die Leute in Bewegung brachte.
„Was ihr ohne die Götter tun könnt?“ fragte er. „Ihr könntet so tun, als wären sie noch bei euch!“ Und so umschrieb er die Worte eines alten deutschen Philosophen, der nie davon geträumt hatte, daß seine Worte eines Tages unter den Strahlen einer roten Sonne – am Ende der Zeit – wieder aufleben würden.
„Es hat einmal eine Zeit gegeben, in der eure Götter nicht existierten!“ sagte Ismael. „Die Leute mußten sie sich erst erschaffen, das sagt eure eigene Religion! Ich fragte Nama lee, wieso dies – wenn es schon einmal der Fall gewesen ist – nicht noch einmal so gehandhabt werden könne, und sie erwiderte, daß dies zwar in den alten Tagen in Ordnung gewesen, jetzt jedoch nicht mehr länger erlaubt sei! Na gut! Aber eure Götter sind nicht zerstört worden; sie sind nur nicht da! Man hat sie euch gestohlen. Was hält euch also davon ab, sie euch zurückzustehlen?
Immerhin bleibt ein Gott auch dann ein Gott, wenn er nicht im Haus seiner Gläubigen wohnt! Und wer weiß: Es ist doch möglich, daß Zoomashmarta diese Schwierigkeiten nur heraufbeschworen hat, um euch auf eine Probe zu stellen. Wenn ihr Mut habt, folgt ihr ihm und bringt ihn zurück. Dann habt ihr die Prüfung bestanden. Aber wenn ihr nur um eure Feuer herumsitzt und darauf wartet, daß der Kummer euch umbringt, habt ihr versagt.“
Namalee stand auf und sagte: „Was willst du, das wir tun sollen?“
„Ihr braucht einen Mann, der euch führt und anders denkt, als ihr es gewohnt seid“, sagte Ismael. „Ich werde euch führen. Ich werde, wenn ich die richtigen Materialien finden kann, neue Waffen machen – und zwar solche, die ihr seit undenklichen Zeiten nicht mehr kennt. Wenn ich sie nicht machen kann, werden wir uns auf unsere List und Tücke verlassen! Aber wenn ich euch führen soll, verlange ich dafür einen Preis.“
„Welchen Preis?“ fragte Namalee.
„Ihr müßt mich zu eurem Großadmiral machen“, sagte Ismael.
Er hielt es nicht für nötig, darauf hinzuweisen, daß er sich nach einem Heim sehnte. Er war weit genug gereist und hatte zuviel gesehen, um noch auf weitere Reisen und noch mehr Wunder aus zu sein.
„Und du, Namalee, sollst meine Frau werden“, sagte er.
Die Kapitäne und Offiziere wußten nicht, was sie tun sollten. Es war das erste Mal, daß ein Fremder darum gebeten hatte, von ihnen zum Großadmiral ernannt zu werden. Wußte er denn nicht, daß Großadmirale ihre Titel auf erblichem Wege erlangten oder – wenn sie ohne Söhne starben – ihre Nachfolger aus den Reihen der größten Kapitäne zu kommen pflegten?
Und wie konnte er sich die Frechheit herausnehmen, die Tochter eines Großadmirals darum zu bitten, seine Gemahlin zu werden?
Namalee schien allerdings über diesen Vorschlag erfreut zu sein, woraufhin Ismael klar wurde, daß er richtig vermutet hatte. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen, vielleicht liebte sie ihn sogar. Momentan war das noch schwer abzuschätzen, da man den Frauen Zalarapamtras stets beigebracht hatte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Aber sie hatte noch niemandem von seinen Versuchen, sie zu küssen, oder seinen Umarmungen während der Nachtkälte erzählt. Obwohl dies natürlich daraus resultieren konnte, daß er sie gerettet hatte, gefiel es Ismael, sich vorzustellen, daß sie darüber aus einem anderen Grund schwieg.
Eine ziemlich lange Zeit herrschte absolute Stille. Die Männer hatten Namalee angeschaut und gesehen, daß sie sich durchaus nicht beleidigt fühlte. Im
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