Ismaels fliegende Wale
Schneesturm nahm und nahm kein En de und füllte das Boot dermaßen, daß es zu kippen drohte.
Innerhalb der Krillwolke existierten allerdings auch freie Zonen, über die man ihn aus irgendeinem Grund zu informieren vergessen hatte. Die hier herrschende Helligkeit war eher ein Zwielicht, in dem das sich vor ihnen bewegende Ungeheuer beinahe schwarz wirkte. Es herrschte auch weniger Wind, weshalb die Bootssegel hier nicht so prall gefüllt waren wie anderswo. Der Geschwindigkeitsverlust war vergleichbar mit dem der Wale, die während der Durchquerung der Wolke an Gewicht zugenommen hatten. Ein jeder von ihnen hatte sich den Bauch vollgeschlagen, und nun glitt ihre Beute, einem endlosen Strom von Spaghetti gleich, durch ihren Magen, bis sie den Schwanzknochen erreichte.
Ismael schöpfte weiter und weiter, bis der Krill schließlich wie Samen über die Bordwand hinausgestreut war. Bis dahin trennte die beiden Boote etwa eine Distanz von zweihundert Fuß, aber sie waren bis auf dreihundert an die großen Schwanzfinnen herangekommen. Dort blieben sie, denn es gelang ihnen nicht, die großen Bestien einzuholen, bis sie wieder in die halbfeste Wolke eintauchten.
Erneut gerieten sie – als hätten sie einen Wald verlassen und sich auf eine Wiese begeben – in eine freie Zone hinein. Diesmal befanden sie sich genau zwischen zwei Ungeheuern wieder, die den Eindruck erweckten, daß die zweite Mahlzeit ihre Schnelligkeit verringert hatte. Nachdem sie das Boot restlos von seinem Ballast befreit hatten, nahm es wieder an Geschwindigkeit zu. Bald befand sich das Gefährt Ismaels auf gleicher Höhe mit dem Kopf des Wals und näherte sich einem Auge, das so rot war wie der Mittelpunkt eines Schmiedefeuers, an Größe und Rundung einem Fabrikschlot gleichkam und dennoch angesichts des riesenhaften Schädels klein wirkte.
Die Bestie drehte sich um fünfundvierzig Grad um ihre eigene Achse und versuchte offenbar herauszufinden, ob sich unter oder über ihr noch andere Jäger aufhielten. Dann jagte sie weiter, obwohl es ihr ein leichtes hätte sein dürfen, die Verfolger einfach durch das Abwerfen von Wasserballast oder das Ausströmen von Gas in die Leere fliegen zu lassen. Hätte sie den uralten Erfahrungen ihrer Vorfahren folgen können, hätte sie genau dies getan. Aber die Windwale schienen niemals zu lernen, daß irgendwann eine Lanze auf das zehn Fuß von ihrem Auge entfernte Schädelloch zufliegen konnte.
Karkri stand auf, schob die Füße unter die Lederschlaufen, hob die Schutzbrille und kontrollierte noch einmal den kleinen Pfosten, der das Ende der Fangleine hielt. Dann hob er die freie Hand – die andere hielt den langen, dünnen Knochenschaft der Harpune – und machte eine kurze, schlagende Bewegung.
Koojai erhob sich ebenfalls. Er bog das Ende eines kurzen, polierten Stockes aus braunem Holz und warf ihn dann geradewegs in die Luft. Der Stock überschlug sich mehrmals hoch über dem Obermast und dem Kopf der Bestie. Beinahe zur gleichen Zeit erschien auf der anderen Seite des Walkopfes ein ähnlicher Stock. Beide explodierten an einem Ende. Sie strömten Rauch aus, der sich, als die beiden Stöcke zu fallen begannen, zu rotierenden Kringeln formte.
Das Biegen ihrer Enden hatte eine Chemikalie gelöst, die dadurch mit einer anderen in Verbindung gekommen war und so ein Gas freigesetzt hatte. Dies hatte das dünne Ende, das nach der Berührung mit der Luft zu brennen angefangen hatte, zerbrochen.
Die Stöcke signalisierten, daß beide Boote einsatzbereit waren. Derjenige, der den ersten Stock warf, hatte stets, bevor er zur Aktion schritt, auf die Klarmeldung des anderen zu warten.
Karkri gab sich die richtige Balance, wippte ein wenig in den Knien, und der Boden gab jeder seiner Bewegungen in dem Maße nach, daß auch das Boot sich in die richtige Lage begab. Dann warf er die Harpune und das damit zusammenhängende Seil, das so dünn war, daß man es kaum noch sehen konnte. Der Lanzenschaft bohrte sich durch die Haut der Bestie und verschwand.
Sofort nach dem Wurf war Karkri wieder in die Knie gesunken. Jetzt fiel er zurück, packte nach dem Gurt und schnallte sich fest, damit er seine Bugstellung nicht verlor. Die Leine wirbelte spiralförmig durch die Luft, als das Tier mit einem Schlag mehrere Tonnen silberfarbenen Wassers aus seiner Unterseite fallen ließ. Dann stieg der Wal rasch auf und ließ seine Schwingensegel so kreisen, daß sie während des Aufstiegs den geringsten Luftwiderstand einfingen. Ismael
Weitere Kostenlose Bücher