Ismaels fliegende Wale
gezwungen wurde, nahm er die Fackel an sich und hielt sie so, daß ihr Licht durch einen der kleinen Schächte fiel. Nacheinander untersuchte er die Innenseiten der einzelnen Löcher und suchte nach Anzeichen, die sie voneinander unterschieden: Unterschiede im Gestein, etwaige vorhandene Linien, so schwach sie auch sein mochten; auf alles, was darauf hindeuten konnte, daß es einen Mechanismus darstellte. Er achtete auf alles, das ihn hätte mißtrauisch machen können, fand aber nicht das geringste.
Er ließ die Mauer selbst schließlich links liegen und begann mit einer intensiven Untersuchung des Bodens, der Decke und der auf sie zulaufenden Korridorwände.
Während er dies tat, hörte er einen feinen Quietschton. Ismael fuhr herum. Krashvanni hielt ihm den Pulversack zum Löschen der Fackel entgegen und streckte bereits die Hände aus. Namalee sagte: „Die Wand bewegt sich!“
Es stimmte. Aber sie bewegte sich nicht, wie man hätte erwarten können, auf einer senkrechten Achse zur Seite, sondern schwang auf einem waagerecht funktionierenden Mechanismus herum. Die untere Wandhälfte kippte langsam nach oben.
Ismael betete zu allen Göttern – und ließ dabei nicht einmal Yojo, Queequegs Götzen, aus –, daß in diesem Moment keine Booragangahner vorbeikommen möchten.
Noch ehe der Wandboden sich um mehr als anderthalb Fuß gehoben hatte, kroch Ismael bereits auf dem Bauch vorwärts. Die anderen folgten ihm, und lange bevor die sich langsam bewegende Sektion komplett gekippt war, befand sich die Gruppe in dem kleinen Raum auf der anderen Seite.
„Was hat den Eingang geöffnet?“ fragte Namalee.
„Keine Ahnung“, erwiderte Ismael, „aber ich nehme an, daß der Mechanismus irgendwie durch helles Licht, das in bestimmten Intervallen durch die Löcher fällt, ausgelöst wird. Vielleicht ist nicht einmal ein bestimmter Zeitabstand nötig, sondern es reicht aus, wenn man mehrmals in die Schächte hineinleuchtet. Ich weiß es nicht. Aber ich bin sicher, daß die Lichteinwirkung in den Schächten etwas verändert. Vielleicht ruft das Licht eine chemische Reaktion hervor, die vergleichbar ist mit …“
Er unterbrach sich, denn die Sprache der Zalarapamtraner hatte keine Worte für die wissenschaftlichen Erfindungen eines Monsieur Daguerre oder Professor Draper. Abgesehen davon war das jetzt auch nicht wichtig. Nur die Tatsache, daß das Schloß sich aus reinem Zufall geöffnet hatte, zählte.
„Zoomashmarta ist mit uns!“ sagte Namalee. „Er weiß, daß wir trotz aller Gefahren zu ihm gekommen sind. Aus Dankbarkeit für unsere Verehrung hat er uns den richtigen Weg gewiesen.“
„Das ist eine Erklärung“, sagte Ismael.
Er schickte zwei Kundschafter nach links und führte den Rest der Gruppe in den gegenüberliegenden Teil des Korridors. Er verlief steil nach unten und mündete in einen großen Raum, den man in den grünen, mit roten Flecken versehenen Fels hineingeschlagen hatte. Überall brannten Fackeln, der süße und berauschende Duft der Götter lag schwer in der Luft.
Vorsichtig streckte Ismael seinen Kopf um die Ecke.
Er sah Hunderte von aus dem Fels herausgeschlagenen Altären. In fächerförmigen Lauben hockten die kleinen und großen Götter.
Weit unten, am äußersten Ende der Halle, vielleicht einhundertfünfzig Meter von ihnen entfernt, befand sich der allergrößte Altar. Auf ihm saß ein Götze, der größer war als jeder, den Ismael bisher gesehen hatte, obwohl seine Erfahrung sich natürlich nur auf die kleinen Standbilder beschränkte, die die Walfängerschiffe mit sich führten.
Er war etwa zweieinhalb Fuß hoch, bestand aus mit roten, schwarzen und grünen Streifen durchsetztem Elfenbein und besaß zwei Köpfe und mehrere Arme. Dies war Kashmangai, der große Gott von Booragangah.
Ein Dutzend mit Roben bekleideter Priester hielten sich in der Halle auf. Drei davon verbeugten sich ununterbrochen vor Kashmangai, während die anderen damit beschäftigt waren, die Götter mit Federwedeln abzustauben und den Fußboden zu reinigen.
Ismael zog den Kopf zurück und fühlte auf Grund der schnellen Bewegung einen leichten Schwindel. Selbst auf diese Entfernung wirkte der Duft der Götter so stark auf ihn ein, daß er sich leicht betrunken fühlte.
„Du wirst Zoomashmarta und die kleineren Götter identifizieren müssen“, sagte er zu Namalee.
Sie blickte beinahe eine Minute lang um die Ecke und sagte dann: „Sie befinden sich auf den Altären in der Nähe Kashmangais.“
Die
Weitere Kostenlose Bücher