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Isolation

Isolation

Titel: Isolation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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dieser Anlage ab.
    Aber warum hatte ihr Vorgesetzter darauf bestanden, dass die Generäle sicher dorthin gelangen sollten? Ohne sie wäre die Fabrik erheblich einfacher zu erobern gewesen, denn wenn die Offiziere dort waren, verteidigten die Chinesen das Gelände erheblich verbissener. Gleichgültig, wie oft ihr Vorgesetzter ihr den Kopf tätschelte und sie eine brave kleine Partial nannte, es gefiel ihr nicht, wenn man sie im Dunkeln ließ.
    Sie erreichte die Ecke von Gebäude 3, wo eine Tür in den Hof führte, trat nach draußen und zog das Telefon hervor. Dabei aktivierte sie eine versteckte Software, die sie auf dem Standardgerät der chinesischen Armee installiert hatte: einen GPS-Tracker, der in Echtzeit ihre Bewegungen verfolgte und über das Satellitensystem der Chinesen zu den NADI -Einheiten und an die Partialtruppen weiterleitete. Sie trat abermals durch die Tür, damit das System jeden Schritt erfassen konnte, den sie tat. Wenn sie lange genug herumlief und gründlich vorging, entstand automatisch eine dreidimensionale Karte des ganzen Komplexes. Sie sah auf die Uhr und schätzte, dass sie genug Zeit hatte, etwa die Hälfte von Gebäude 3 zu kartieren, ehe General Wu sie bei der nächsten Strategiesitzung erwartete. Heron vergewisserte sich, dass die Streifen auf der Jacke richtig saßen und sie als Angehörige des Generalstabs auswiesen. Niemand würde ihr Fragen stellen.
    Leise verfluchte sie die Tatsache, dass sie keine bequemeren Schuhe angezogen hatte. Sie würde noch einige Stunden umherlaufen müssen.
    So ist das ruhmreiche Leben der Spione.

Paragen BioSynth Aufzucht- und Ausbildungszentrum, unbekannter Ort
    7.   Oktober 2058
    »Noch einmal!«, rief der Ausbilder, und das Mädchen erhob sich mit dünnen, wackeligen Beinen. Sie sah wie neunzehn aus, war aber erst vor zwei Wochen aus dem Bruttank befreit worden. »Los!« Die andere Seite des Raums schien unendlich weit entfernt, doch einige Partials bewegten sich bereits hinüber, und sie wollte nicht die Letzte sein. Steif und ungelenk lief sie, so rasch sie konnte, den Blick auf die Stuhlreihe auf der anderen Seite geheftet. Einen Jungen überholte sie, dann sogar einen zweiten. Einige Reihen weiter bewegte sich ein anderer fast im Eilschritt. Er wollte unbedingt das Rennen gewinnen, überschätzte sich jedoch und stürzte. Dabei riss er zwei seiner Nachbarn mit. Das Mädchen achtete nicht weiter darauf, sondern hastete bis an die Spitze der Gruppe und berührte als Erste ihren Stuhl. Dann hielt sie inne, wandte sich um und genoss ihren Triumph, ehe sie sich auf den Stuhl fallen ließ. Ihre Muskeln waren immer noch zu schwach, um sie lange auf den Beinen zu halten, doch sie wuchsen rasch. Der Ausbilder blies in die Trillerpfeife, als der letzte Partial sich setzte. Selbst ohne diejenigen, die gestürzt waren, hatte sie den Letzten der Gruppe um fast fünf Sekunden geschlagen.
    »Heron hat wieder gewonnen«, verkündete der Ausbilder und machte sich eine Notiz auf dem Klemmbrett. Diesen Namen und alles andere, was sie besaß, hatte man ihr vor einer Weile gegeben. Ihr gehörten zwei Sätze Kleidung, ein Paar Schuhe, drei Lehrbücher und ein Elastikband für die Haare. Die anderen Frauen in ihrer Trainingseinheit hatten sich kurze Frisuren schneiden lassen, nur Herons Haar blieb lang. Es lag an den unterschiedlichen Aufgaben, hatten die Ausbilder erklärt. Die anderen Mädchen wurden Pilotinnen, während Heron als Spionin eingesetzt werden sollte. Heron wusste nicht, was das bedeutete, aber wenigstens waren ihr einige Grundzüge des Ablaufs bekannt: Nach dem ersten Monat der Ausbildung – dazu gehörten Grundkurse in Sprechvermögen, Mathematik und der Sportunterricht – trennten sich ihre Wege, und die ersten Abschnitte der Spezialausbildung würden beginnen. Die Jungen kamen alle zur Infanterie und absolvierten ein so genanntes Kampftraining. Alle Mädchen außer Heron wurden Pilotinnen, und soweit sie es überblickte, bedeutete dies, dass die Mädchen in Wagen fuhren, statt zu Fuß zu gehen. Das fand Heron irgendwie ungerecht, aber vermutlich wusste sie noch nicht genug. Wenn die Mädchen nie gehen mussten, warum lernten sie es dann überhaupt?
    Heron verstand immer noch nicht, was Spionage bedeutete, doch ihr war klar, dass sie Kurse besuchen musste, an denen die anderen nicht teilnahmen. Am Nachmittag bildete sie mit den Spionagemädchen aus den anderen Trainingseinheiten einen eigenen Kurs, in dem sie etwas lernten, das die Lehrer

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