Ist Schon in Ordnung
dreht sich zu mir um.
»Und du bleibst hier. Okay?«
»Meinetwegen brauchen Sie keinen Aufstand zu machen, mir ist der Werkmeister scheißegal.«
»Manchmal hast du so einen Dickkopf, Audun, dass es einem wehtut. Wenn dir alles etwas weniger scheißegal wäre, ginge es dir vielleicht ein bisschen besser. Aber das ist nicht mein Problem. Ich lasse mir jedenfalls nicht von einem unfähigen Werkmeister einen guten Rollenmann wegnehmen. Du bleibst hier, okay? Hast du verstanden, was ich sage?«
»Okay«, sage ich. Goliath zieht die Schultern hoch und geht schnell zur Tür hinaus, das Dröhnen der Presse lässt nach, die Ventile knallen, und die Papierbahn wird ganz weiß, dann bleibt die Maschine stehen, und alles wird still. Samuel sieht von seinem Platz hoch, er singt immer noch, und jetzt höre ich, was er singt: Wir lieben die Stürme . Trond nimmt den Blick von seinem Buch. Er hat es von mir geliehen, und ich habe es von Arvid. Er bekommt es zurück, irgendwann.
»Was ist das für ein Geräusch?«, fragt Trond.
»Das ist Samuel, der singt.«
»Oh, Scheiße!«
Ich setze mich an meinen Platz am Stern und warte. Das hier ist Blödsinn. Am liebsten würde ich gehen. Man bringt seine Sachen selbst in Ordnung, oder man geht. So ist es, und ich habe Lust zu gehen.
»Was ist hier los?«, fragt Trond. »Warum haben wir die Maschine angehalten?« Ich zucke mit den Schultern und bleibe sitzen. Ich bin der Einzige, der sitzt. Die anderen stehen und kratzen sich am Kopf, und dann kommen Goliath und der Werkmeister durch die Tür. Sie schreien sich an, Goliath zieht die Schultern hoch und geht zur Presse. Ich nehme die Tasche und stehe auf.
»Bleib sitzen«, sagt Goliath. »Wir haben Zigarettenpause.« Er holt seinen Stuhl aus dem Käfig und stellt ihn mitten in die Halle, mit dem Rücken zum Werkmeister. Die anderen tun es ihm nach und setzen sich, holen Tabak heraus und drehen sich eine Zigarette. Werkmeister Davidsen steht allein in der Halle und ist hochrot im Gesicht.
»Odd!«, schreit er. »Wirf sofort die Presse an!«
Goliath zündet sich eine Zigarette an, zieht daran und bläst den Rauch aus.
»Schmeckt das herrlich«, sagt er. »Heute ist alles so glatt gelaufen, dass ich nicht mal Zeit für eine Zigarette hatte. Wir verhätscheln die Geschäftsleitung, das tun wir.«
»Odd! Du hast gehört, was ich gesagt habe! Hier bestimme ich!«
Ich bin der Einzige, der ihn sieht. Er schwitzt, der weiße Kittel ist ihm zu eng. Er fährt sich durch das schüttere Haar, und Goliath steht auf und geht zur Presse, zieht den Spachtel aus der Arbeitshose und schneidet gleich über dem Sterndie Papierbahn durch. Es macht ratsch!, und die beiden Enden hängen herunter. Er steckt den Spachtel wieder in die Hose, geht zurück und setzt sich mit dem Rücken zum Werkmeister hin. Fast macht es den Eindruck, als wollte Werkmeister Davidsen anfangen zu heulen. Er sieht auf die Uhr, bald ist es zu spät, um wieder loszulegen. Wir haben wenig Zeit, denn wir müssen erst alles putzen, bevor es weitergehen kann. Seine Schultern fallen herab.
»Audun, du klebst die Bahn zusammen. Das ist dein Job.«
»Ich arbeite nicht hier«, sage ich.
»Lass die Witze. Tu, was ich sage.« Ich sehe zu Goliath. Er nickt. Ich stehe auf und gehe zum Stern, löse die Rolle, ziehe ausreichend Papier heraus. Anschließend hole ich die Klebefolie und klebe sie ordentlich an.
»Okay, dann legen wir jetzt los«, sagt Goliath und drückt die Zigarette aus. »Macht die Tücher nass.«
Anschließend kommt er zu mir. »Weißt du was, Audun«, sagt er, »du bist ein Querulant.«
»Ich mache zumindest meinen Job«, sage ich, und daraufhin lächelt er säuerlich, wie er es immer tut. Vielleicht ist sein Mund einfach so.
17
S eit drei Tagen schneit es, und dann wird es richtig kalt. Alles ist anders, auf dem Weg die Treppe hinunter zur Rotationshalle ist es wärmer, und wenn es Abend wird, gehen die Türen mit einem gelben Schatten auf, und auf dem Heimweg von der Spätschicht leuchten meine Fußspuren im Dunkeln. Mein Körper ist auf andere Weise erschöpft als früher, es ist die Zeit, die vergeht, ich weiß, und meine Mutter legt seltener Opern auf und sieht viel mehr fern. Manchmal vermisse ich Kirsten Flagstad und Jussi Björling, aber Jussi Björling ist jetzt tabu. Meine Hände sind rissig geworden, und in die Risse setzt sich dick die Druckerschwärze und lässt sich mit normaler Seife nicht entfernen. Wenn ich mir mit den Händen über Schultern und
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