Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
Gesprächen, sie entsprechen ihm nicht, sie überfordern ihn. Ich erwarte, dass er sich mir öffnet, wenn er mich doch gerade scheußlich findet. Ich werfe ihm das als »Vom-Tisch-haben-Wollen« vor, als Beziehungsverweigerung, als Verschlossenheit, Abwehr, alles Schlimme, das ich natürlich punktgenau als destruktives Beziehungsverhalten diagnostizieren kann.
Und dann mache ich »mehr desselben«. Ich verschärfe den Konflikt, indem ich mehr und mehr auf ein Gespräch dränge, die Dinge immer schärfer auf den Punkt bringe, die beiden Ufer, nein, die Gräben zwischen uns immer deutlicher benenne und so immer tiefer grabe.
Es würde mir natürlich leichtfallen, jetzt darüber zu schreiben, was er vermeidet, welches Risiko er nicht eingeht, das sage ich ihm in diesen Situationen auch, aber interessant ist doch, welches Risiko vermeide denn
ich
?
Ich vermeide es, Verantwortung abzugeben. Ich strenge mich furchtbar an, um den Konflikt möglichst ruhig und verständnisvoll und offen so zu klären, damit alles wieder gut wird. Letztlich vermeide ich den Konflikt, obwohl ich mich für konfliktfähig halte. Ich will keinen andauernden Streit. Ich will die schlechten Gefühle für meinen Partner nicht allzu lange in mir haben. Ich halte die Angst nicht aus, dass er sich mir nie wieder zuwendet. Ich halte die Angst nicht aus, dass ohne meine Aktivität nichts geschieht. Letztlich vermeide ich Vertrauen. Und das ist dann auch das, was geschieht, wenn es eskaliert: Ich stelle die gesamte Beziehung in Frage. Ich will mich trennen. Ich trenne mich innerlich. Natürlich gebe ich ihm die Schuld: konfliktunfähig, unoffen, Vom-Tisch-Wischer usw.
Es war für mich schmerzlich und bitter, als ich erkannte, dass es egal ist, mit welchem Partner es war, ich habe es immer so gehalten. Ich habe die Verantwortung für das Gelingen der Beziehung übernommen. Ich war aktiv. Ich bin hinterhergelaufen, ich habe gerackert, und irgendwann ist es umgeschlagen, und ich habe mich getrennt. Zumindest innerlich, aber dort war ich schwer wieder zurückzuholen.
Es war für mich äußerst erleichternd, als ich mit meinem Partner für eine nicht begrenzte Zeit verabredete, dass ich kein BPG mehr einleiten würde. Ich war zwar davon überzeugt, dass dies das Ende unserer Beziehung sein würde, aber ich war entschlossen, das Risiko einzugehen. Wären wir von da an nur noch in einem oberflächlichen, Nähe vermeidenden Beziehungsdümpel gewatet, hätte es auch eine Ehrlichkeit gehabt. Es hätte meine Angst bestätigt. Aber wenn eine Beziehung ohne ständiges Rackern und Kämpfen in Seichtigkeit versiegt, dann ist es besser, seine Kraft nicht länger zu vergeuden und wirklich zu gehen. In unserem Fall aber hat es zu einer Entspannung auf beiden Seiten geführt. Ich habe viele Überraschungen erlebt. Mein Partner wurde zugewandter, offener, er sprach Unstimmiges direkt an, so dass daraus gar keine tiefen Konflikte werden mussten. Ich konnte nicht nur feststellen, dass ich mich auf ihn verlassen konnte, ich konnte auch einiges darüber lernen, wie es möglich ist, seine Bedürfnisse und Gefühle so zu äußern, dass es punktuell bleibt und kein Rundumschlag wird. Es ist für mich vieles leichter geworden, weniger anstrengend, aber vor allem: Ich vertraue meinem Partner mehr, dass ihm wirklich etwas an mir und unserer Beziehung liegt. Unsere Beziehung ist glücklicher geworden.
Wahrscheinlich finden sich eher Frauen in dem wieder, was ich von mir geschrieben habe. Oft klagen Männer in meiner Praxis darüber, nächtelang Gespräche über Sexualität und Zärtlichkeit führen zu müssen, stattdessen wollen sie Sex und Zärtlichkeit praktizieren.
Liebe Frauen, glaubt jetzt bitte nicht, ich wollte euch zum Schweigen bringen, einen Maulkorb umlegen. Nein, darum geht es nicht, es geht darum, dass ihr euch damit konfrontiert, welches Risiko ihr vermeidet, in welcher Hinsicht ihr »mehr desselben« macht. Mehr von dem, was euch eurem Ziel nicht näherbringt. Manchmal ist es auch die Verweigerung, ein klares eindeutiges Nein zu sagen. Eine klare eindeutige Grenze zu ziehen. Dann muss nur ein Satz gesagt werden, manchmal nur ein Wort: NEIN ! Schluss damit!
Natürlich gibt es die andere Seite der Medaille: Die Verweigerung des Gesprächs. Welches Risiko wird damit vermieden?
Es geht ja nie um das Gespräch an sich. Die BPG -Verweigerer sind nicht selten eloquente Gesprächspartner, wenn es um Politik, ein Hobby, den Beruf oder Ähnliches geht. Sie sind auch nicht
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