Italienische Novellen, Band 1
Rettung zu finden hofften. Bologna ritt einen starken türkischen Renner und hatte seinen ältesten Sohn gleichfalls auf ein sehr gutes türkisches Pferd gesetzt. Sein zweites Söhnchen und seine kleine Tochter waren beide in einer Sänfte, und seine Gemahlin saß auf einem guten Zelter. Er und sein Sohn hätten sich mit leichter Mühe retten können, weil sie trefflich beritten waren; aber die Liebe zu seiner Gattin ließ ihm keine Flucht zu. Dagegen war sie selbst der festen Überzeugung, daß ihre Verfolger es nur auf ihren Gemahl abgesehen haben, so daß sie ihn unter fortwährenden Tränen anflehte, auf seine Rettung Bedacht zu nehmen, und zu ihm sagte: »Mein teurer Herr, o eilt von dannen: denn meine Herren Brüder werden mir und unsern Kindern gewiß kein Leid zufügen. Wenn sie aber Euch bekommen können, so werden sie ihre Wut an Euch auslassen und Euch ums Leben bringen.«
Sie drückte ihm nach diesen Worten eine volle Börse mit Dukaten in die Hand und bat ihn fortwährend aufs dringendste, sich zu flüchten, weil ja vielleicht dennoch der Himmel zuließe, daß ihre Herren Brüder sich besänftigten. Der arme Ehemann erkannte aus der Nähe seiner Verfolger die Unmöglichkeit, sein Weib zugleich mit sich zu erretten, und so ergab er sich endlich, bis auf den Tod betrübt, in ihren Willen, nahm unter unzähligen Tränen von ihr Abschied und setzte seinem Türkenrosse die Sporen ein, indem er den Seinigen zurief, es möge ein jeder fliehen, so gut er könne. Als der Sohn den Vater fliehen sah, sprengte er ihm mit verhängtem Zügel rüstig nach, und so geschah es, daß Bologna mit seinem ältesten Knaben und vier wohlberittenen Dienern glücklich entkam. Dabei gab er seinen Gedanken auf, sich nach Venedig zu wenden, und alle sechs verfügten sich nach Mailand.
Diejenigen, welche ausgesandt waren, um ihn zu töten, bemächtigten sich an seiner Statt der Frau, seiner zwei Kinder und seines übrigen Gefolges. Der vorderste der Häscherschar, mochte er nun von den Herren Brüdern der Frau dazu beauftragt sein oder aus eigenem Antriebe wünschen, sie ohne großes Aufsehen zu fangen und fortzubringen, sagte zu ihr: »Frau Herzogin, Eure Herren Brüder haben mir befohlen, Euch in Euer Land und in Euren Palast zurückzuführen, damit Ihr die Vormundschaft Eures Sohnes, des Herrn Herzogs, von neuem übernehmt und nicht länger bald hierhin, bald dorthin in der Welt umherschweifet. Herr Antonio Bologna war der Mann danach, wenn er Euer überdrüssig gewesen wäre, Euch wohl gar einmal in Elend und Dürftigkeit zu verlassen und seines eigenen Weges zu gehen. Seid also getrosten Mutes und nehmt Euch Euer gegenwärtiges Schicksal weiter nicht zu Herzen!«
Die Frau schien sich über diese Worte wirklich zu beruhigen; denn sie glaubte annehmen zu dürfen, daß sie wahr gesprochen seien, und daß ihre Brüder gegen sie und ihre Kleinen nichts Feindseliges beginnen werden. Dieser Hoffnung lebte sie einige Tage, bis sie auf einem der Schlösser des Herzogs, ihres Sohnes, ankam, wo sie mit ihren Kindern und der Kammerfrau bewacht und in den Festungsturm gelegt wurden. Was daselbst aus allen vieren geworden war, verlautete nicht alsobald. Alle übrigen wurden in Freiheit gesetzt; die Frau aber mit der Kammerfrau und den zwei Kindern starben, wie man späterhin auf das gewisseste gehört hat, des elendiglichsten Todes durch Mord.
Der beklagenswerte Gatte und Liebhaber langte mit seinem Sohne und seinen Dienern in Mailand an, wo er einige Tage unter dem Schutze des Herrn Silvio Savelli weilte, der gerade damals die Franzosen im Kastell von Mailand belagerte, um die Feste im Namen Maximilian Sforzas einzunehmen, was ihm hernach durch Kapitulation gelang. Als darauf Savello mit seinem Heere nach Crema fortzog, wo er einige Tage blieb, begab sich Bologna zu dem Markgrafen von Bitonto, und da der Markgraf fort war, hielt er sich im Hause des Herrn Ritters Vesconte auf.
Die aragonischen Brüder hatten es inzwischen in Neapel dahin gebracht, daß der Staatsschatz die Güter Bolognas einzog. Bologna selbst dachte einzig und allein daran, die Brüder mit sich zu versöhnen, weil er dem Gerüchte von der Ermordung seiner Gemahlin und Kinder auf keine Weise Glauben beimessen wollte. Er wurde mit der Zeit verschiedene Male von Edelleuten gewarnt, sich vorzusehen: es sei in Mailand keine Sicherheit mehr für ihn. Aber er versagte diesen wohlgemeinten Zuflüsterungen alles Gehör, und das wahrscheinlich, weil man ihm unterderhand, um ihn
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