Italienische Novellen, Band 2
fand, dem Ritter zum Geschenke. Der Ritter dachte an weiter nichts und nahm ihn an, gab dem Überbringer ein Paar Strümpfe zum Geschenk und ließ der Jungfrau unter tausend Danksagungen dafür seine Gegendienste entbieten. Es war gerade an der Zeit, Rebhühner zu jagen; der Vogel erwies sich als einer der zu diesem Gebrauch am besten abgerichteten, und so ist nicht zu verwundern, daß Don Diego ihn äußerst lieb gewann. Er hatte der blonden Ginevra schon zweimal Rebhühner zugesandt, und wie er zu ihr zum Besuche kam, führte er den Sperber auf der Faust mit sich, sprach von seiner Vortrefflichkeit und sagte, er habe ihn so lieb wie seinen Augapfel. Es ist schon angedeutet worden, daß jedermann sich der Liebe der beiden versah. Als man nun eines Tags im Hause der blonden Ginevra in ihrer Gegenwart von Don Diego sprach und er von allen als tugendhafter vollkommener Ritter gelobt wurde, sagte ein Herr Graziano, es sei wahr, daß Don Diego ein tugendhafter junger Mann sei, aber er komme ihm vor wie der Esel des Töpfers, der an jede Tür seinen Kopf stößt. Die blonde Ginevra wunderte sich über diesen Vergleich und bat ihn, sich deutlicher zu erklären. Dieser, der sich sehr viel auf seine Weisheit einbildete, sagte: »Fräulein, die Töpfer, wenn sie Töpfe, Schüsseln und anderes irdenes Geschirr verkaufen gehen, reiten auf einem Esel durch die Straßen und halten an jeder Tür. Geradeso macht es der Ritter Don Diego. Er fängt Liebschaften an mit allen Mädchen, die er sieht, und so ist er jetzt glühend verliebt in die Tochter des Herrn Ferrando von la Serra; von der hat er einen Sperber bekommen, den er höher hält als sein Leben.«
Ich weiß nicht, ob jener törichte Mensch aus eigenem Antrieb oder auf fremde Veranlassung diese Worte sprach. So viel aber ist gewiß, daß sie großes Unheil stifteten, wie ihr hören werdet. Die blonde Ginevra hatte sie nämlich kaum angehört, so entfernte sie sich und zog sich in ihr Zimmer zurück, wo ein solcher Zorn und eine solche Eifersucht über sie kam, daß sie fast verzweifelt wäre. Ja, sie erbitterte sich nach und nach dergestalt, daß ihre vorher so große Liebe zu Don Diego sich in den bittersten Haß verwandelte, der sie nicht entfernt daran denken ließ, daß jener aus Neid oder Bosheit so gesprochen haben könne. Kurze Zeit nach jenem Ereignis kam der Ritter seiner Gewohnheit gemäß zum Besuche zu seiner oder vielmehr nicht mehr seiner blonden Ginevra, die, sobald sie hörte, daß er im Schlosse abgestiegen sei, sich in ihr Zimmer verfügte und verschloß. Der Ritter kam in den Saal, fing an mit der Mutter des erzürnten Mädchens zu sprechen, unterhielt sich mit ihr eine gute Weile und erzählte ihr die Wunder seines Sperbers, den er auf der Faust hielt. Als sich die blonde Ginevra gar nicht wie ehedem vor ihm sehen Keß, fragte er nach ihr und erhielt die Antwort, sie sei bei seiner Ankunft in ihr Zimmer gegangen. Er antwortete hierauf weiter nichts; doch als es ihm Zeit schien, verabschiedete er sich von der Witwe und ging weg. Im Hinabgehen auf der Treppe begegnete er einer Zofe des Fräuleins, zu der er sagte, sie möge in seinem Namen ihrer Gebieterin die Hände küssen. Diese Dienerin war in das Liebesverständnis beider eingeweiht, wußte aber noch nichts von dem Arger mit dem Sperber und entledigte sich ihres Auftrags an das Burgfräulein. Die blonde Ginevra hatte bereits erfahren, daß Don Diego mit dem Sperber auf der Faust gekommen sei und ihn außerordentlich gelobt habe. Da sie nun vollkommen überzeugt war, daß er mit jenem andern Mädchen eine Liebschaft habe, hielt sie sich durch dieses Betragen für verhöhnt und verspottet; sie entrüstete sich dadurch nur um so ärger über ihn und setzte sich ihre Grille so fest in den Kopf, daß nichts in der Welt imstande gewesen wäre, sie wieder daraus zu entfernen. Die Zofe trat nun in das Zimmer und richtete die Botschaft des Ritters aus.
»O du treuloser Liebhaber«, rief sie noch mehr entrüstet aus, »Verwegener, daß du, nachdem du mich verraten und um eine andere, mir keineswegs gleiche Frau verlassen hast, noch wagst, mir wieder zu nahen und zur Vergrößerung meines Hohns mir Handküsse zuzuschicken! Aber ich will dir bei Gott die Ehre widerfahren lassen, die du verdienst.«
Sie erzählte hierauf ihrer Zofe die ganze Geschichte mit dem Sperber und Don Diegos Liebschaft mit der Tochter des Herrn Ferrando. Als die Kammerfrau diese Fabel hörte und sie für durchaus wahr hinnahm, lobte sie
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